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Nr. 87, Juni 2016 - Internationales

Streiks und Proteste in Frankreich gehen weiter

Seit drei Monaten bereits streiken und protestieren Arbeitende aller möglichen Branchen in Frankreich gegen einen heftigen Angriff auf ihre Arbeitsbedingungen.

Die Regierung will durchsetzen, dass die Betriebe die Arbeitszeit beliebig auf bis zu 12 Stunden am Tag und 60 Stunden die Woche erhöhen können, und das drei Monate am Stück. Kündigungsschutz soll es fast gar keinen mehr geben. Obendrein sollen Unternehmer mit Betriebsvereinbarungen die Arbeitsbedingungen beliebig verschlechtern dürfen. Und bereits die Ankündigung dieses Gesetzes hat eine Reihe von großen Konzernen dazu ermutigt zu versuchen, Teile davon in ihrem Konzern sofort umzusetzen.

Die Regierung hat sogar verhindert, dass im Parlament über das Gesetz diskutiert wurde. Sie hat eine Möglichkeit der französischen Verfassung genutzt, Gesetze als Regierungs-Diktat, ohne Abstimmung im Parlament zu beschließen. Sie hatte gehofft, wenn das Gesetz einmal beschlossen ist, hören die Proteste auf. Doch sie hat eher das Gegenteil erreicht.
In den letzten Jahren hat die sozialdemokratische Regierung eine Reihe massiver Verschlechterungen bei den Arbeitern durchgesetzt. Wie vor den Kopf geschlagen, gab es von Seiten der Arbeiter kaum Widerstand. Dazu muss man wissen, dass die Gewerkschaften, allen voran die größte Gewerkschaft CGT, 2012 zur Wahl des sozialdemokratischen Präsidenten Hollandes aufgerufen hatten und ihm anschließend keine Schwierigkeiten bereiten wollten. Daher haben sie auf all die Angriffe fast nicht reagiert.

Doch bei dem jetzigen Angriff haben sich einige Arbeiter und Gewerkschafter an der Basis gesagt: „Wir dürfen nicht länger zusehen, wie sie uns immer weiter kaputt machen. Und wenn wir uns jetzt nicht wehren, wann dann?“
Seitdem hat vor allem die CGT begonnen, ernsthaft gegen das Gesetz mobil zu machen – mit Streiks bei der Bahn, in Raffinerien, mit Blockaden von Industriegebieten und landesweiten Demonstrationen – und hat seit drei Monaten, allen Anfeindungen und Verleumdungen zum Trotz, nicht nachgegeben.

Die Regierung hat erste Zugeständnisse gemacht. Und egal wie die Auseinandersetzung ausgeht, eines ist jetzt schon gewonnen. Die mehreren Hunderttausend, die sich in den letzten Wochen an den Protesten beteiligt haben, haben Vieles verstanden: über die Unternehmer; über die Regierung, die zwar sozialdemokratisch ist, aber trotzdem ein Feind der Arbeitenden; und auch über die Führungen der Gewerkschaften, die all die letzten Jahre geschwiegen und damit zu der niedergeschlagenen Stimmung beigetragen hatten.

Und sie haben erlebt, wie viel schöner es ist, seine Wut laut auf der Straße zu herauszuschreien, als alle Angriffe zu schlucken und über sich ergehen zu lassen.
Ja, sobald man als Arbeiter die Erfahrung kollektiver Kämpfe macht, lernt man in kurzer Zeit sehr viel. Und das ist ein Pfand für die Zukunft.

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