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Nr. 98, Juni 2017 - Leitartikel

NRW: Eine neue Landesregierung, und sofort Angriffe gegen uns Arbeiter

CDU und FDP haben in den letzten Wochen angekündigt, was sie als neue Landesregierung in NRW alles vorhaben. Eins ist dabei schnell deutlich geworden: Über diese Regierung können sich nur die Unternehmer freuen.

CDU und FDP hatten im Wahlkampf versprochen, für weniger Staus und bessere Straßen zu sorgen. Und wie wollen sie das nun erreichen? Indem sie mehr Bauarbeiter einstellen? Nein. Sie wollen auf allen öffentlichen Baustellen eine verpflichtende 6-Tage-Woche einführen. Die Bauarbeiter, die schon hart genug malochen müssen, sollen also auch noch samstags arbeiten müssen.

Den großen Einzelhandelskonzernen wollen CDU und FDP erlauben, an 8 statt bislang an 4 Sonntagen zu öffnen. Was nichts anderes bedeutet, als dass sie den Verkäuferinnen auch noch doppelt so viele Sonntage zerstören – den einzigen freien Tag, an dem auch ihre Familie und Freunde meist frei haben.

Die neue Landesregierung will außerdem im Bundesrat ein Gesetz einbringen, das den gesetzlichen 8-Stunden-Tag abschaffen soll, ebenso dass man höchstens 10 Stunden am Tag arbeiten darf und zwischen zwei Arbeitstagen 11 Stunden frei haben muss.
Die Bosse sollen uns bis zu 60 Stunden die Woche ausbeuten und dabei frei und flexibel entscheiden dürfen, uns drei Tage hintereinander 12 Stunden schuften zu lassen oder uns an einem Tag auf Spätschicht bis 22 Uhr arbeiten und am nächsten Morgen um 6 Uhr auf Frühschicht kommen zu lassen. Kommen sie damit durch, wäre dies ein heftiger Schritt zurück für alle Arbeitenden!

Ein weiteres Geschenk ist für die Gastronomie, Supermärkte und Lebensmittelbetriebe geplant. Gerade erst war entschieden worden, zukünftig die Ergebnisse der amtlichen Hygienekontrollen im Internet zu veröffentlichen. CDU und FDP aber wollen selbst diese winzige Kontrolle sofort wieder abschaffen.
Dass Verbraucher und Beschäftigte auch nur irgendein Recht haben, zu erfahren, was in den Betrieben passiert – ob bei der Hygiene, bei den Arbeitsbedingungen, beim Geld – das ist für die Bosse unerträglich. Und so sorgt die Regierung dafür, dass die Unternehmer auch weiterhin die Hygiene missachten können – ohne dass die Kunden dies auch nur erfahren dürfen.

In den Schulen will die Regierung übrigens ein neues Unterrichtsfach flächendeckend einführen: Wirtschaft. Wieso? Wollen sie uns etwa beibringen, wie wir mit unserer Arbeit die Profite der ganzen Konzerne und Banken schaffen? Nein, wo denken wir hin. Sie wollen – so die FDP wörtlich – den Schülern eine positivere Haltung zu Unternehmern und ihrer Mentalität vermitteln!

Da haben sie schon alle Medien, das Fernsehen, Politiker, eine ganze Maschinerie, die ständig den Kapitalismus lobt und uns erzählt, wie wichtig die Rolle der Unternehmer ist. Doch offensichtlich sind sie nicht sehr überzeugend. Vielleicht, weil die Unternehmer uns täglich das Gegenteil beweisen?
Jetzt brauchen sie also noch ein extra Schulfach, um diese Wirtschaftsordnung anzupreisen. Und ganz zufällig werden dafür die Geschichts-Stunden gekürzt, in denen die Schüler sehen könnten, was der Kapitalismus schon alles angerichtet hat.

Apropos Schulen: Monatelang wurde diskutiert, ob die Schulzeit am Gymnasium 8 oder wieder 9 Jahre dauern sollte. Viele Eltern und Schüler wünschen sich 9 Jahre, in der Hoffnung, so mehr lernen zu können, einen vielseitigeren Unterricht und vor allem mehr Zeit zum Lernen zu haben. Und jetzt führen sie die 9 Schuljahre tatsächlich wieder ein – aber so, dass von den erhofften Verbesserungen nichts übrig bleibt.
Denn im Gegenzug sollen ein Teil der Ganztags-Angebote wieder abgeschafft werden: Gerade kleine Übungsgruppen, in denen die Schüler mehr Zeit zum Lernen hatten, aber auch AGs wie Technik, Astronomie oder Sprachen, Sportangebote – all das wird den Schülern wieder weggenommen.
Außerdem wurden bei der Verkürzung der Schulzeit auf 8 Jahre 2.000 Lehrerstellen eingespart. Die müsste die Landesregierung jetzt mindestens zusätzlich einstellen. Doch das haben CDU und FDP wohl nicht vor. Ein zusätzliches Schuljahr ohne zusätzliche Lehrer aber bedeutet, es werden noch mehr Lehrer fehlen! Und nicht nur an den Gymnasien. Denn der Lehrermangel wird sich auf alle Schulen verteilen, auch auf die Haupt- Real- und Gesamtschulen.

Das Ende vom Lied ist, dass es an allen Schulen schlechter wird. Weil sie bei ihren Maßnahmen das Wichtigste nie machen: nämlich mehr Personal einzustellen. Im Gegenteil.
Und das gilt überall – außer bei der Polizei. Ob in Kitas, Schulen, Krankenhäusern, Nahverkehr, überall will die neue Regierung den Sparkurs weiterführen, den auch die SPD-Regierungen vor ihr geführt haben: ein Sparkurs, der immer mehr feste Arbeitsplätze im Öffentlichen Dienst vernichtet und alle öffentlichen Dienste so immer weiter verschlechtert.

Nur in einem Punkt ist die neue Regierung tatsächlich anders als die SPD-Regierung vor ihr. Sie tut nicht einmal so, als würde sie sich für die Probleme der Arbeitenden oder für soziale Gerechtigkeit einsetzen.
Bei ihr ist von Anfang an offensichtlich, dass wir Arbeitenden uns auf Angriffe einstellen müssen, also darauf, uns und unsere Interessen selber zu verteidigen. Denn die Regierung lässt keinen Zweifel daran, dass ihre Sorgen der herrschenden Klasse gelten und sie an uns Arbeiter nur dann denkt, wenn es darum geht, uns noch mehr auszubeuten.

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