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Nr. 117, März 2019 - Ihre Gesellschaft

Wir Arbeiter brauchen nicht mehr Europa oder mehr Nationalstaat, sondern mehr Klassenkampf

CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer hat mit ihrer Antwort auf den französischen Präsident Macron in Deutschland den Europawahlkampf eröffnet. Nachdem Macron in einem Pamphlet gefordert hatte, der EU etwas mehr Entscheidungsbefugnisse zu geben, hat sie die Stärkung der Nationalstaaten gepriesen. Alle anderen Parteien haben sich entweder hinter Macron oder hinter Kramp-Karrenbauer gestellt und so das zentrale Thema des Europawahlkampfs gesetzt.

CDU, CSU und erst recht die AfD versuchen uns weiszumachen, dass die EU nicht zu mächtig werden dürfe, weil der deutsche Staat besser die Interessen der Menschen in Deutschland schützen würde.
Ach ja? Wo hat denn der deutsche Staat die Interessen der Arbeiter in Deutschland geschützt? Als die Regierung die Ausweitung von Leiharbeit und Minijobs, die Aufweichung des Kündigungsschutzes und die Einführung von HartzIV beschlossen hat? Als sie die Rente mit 67 beschlossen hat – oder die Privatisierung vieler Krankenhäuser und Wohnungsgesellschaften?
Die einzigen Interessen, die der deutsche Staat schützt, sind die des deutschen Kapitals.

Wo der Nationalismus und die Illusion, der eigene Staat schütze einen besser, hinführen, davon kann die Bevölkerung Großbritanniens derzeit ein bitteres Lied singen.

Doch auch denjenigen, die wie SPD und Grüne für „mehr“ Europa werben, geht es ausschließlich um die Interessen der Kapitalisten. Es ist nur ein anderer Weg, die Interessen der Konzerne zu verteidigen – angefangen bei den mächtigsten unter ihnen, den deutschen und französischen Konzernen.

Zwar wirbt SPD für einen „europäischen Mindestlohn“. Damit meint sie aber nur einen einheitlichen Prozentsatz: In jedem EU-Land solle der Mindestlohn zum Beispiel 50% des Durchschnittslohns betragen. Das wären in Bulgarien 260, in Luxemburg 2.000 Euro. Die Löhne bleiben damit also genauso ungleich, und die Arbeiter in Rumänien oder Bulgarien genauso arm wie heute auch!
In einem Punkt sind sich diese Verfechter des „mehr“ und des „weniger“ Europa übrigens alle einig: Dass man an den Außengrenzen Europas noch mehr Polizei, noch gefährlichere Zäune und noch mehr Abschottung brauchen würde – auch wenn dafür tausende Menschen auf ihrer Flucht nach Europa dann im Mittelmeer ertrinken.

Der deutsche Staat und die EU schützen beide die Interessen der Kapitalisten. Vor diesem Hintergrund sind beide gleichermaßen Feinde der Arbeitenden.
Die Arbeitenden der anderen Länder hingegen sind unsere Verbündeten. Die meisten Firmen, für die wir arbeiten, haben auch Betriebe in anderen EU-Ländern. Überall haben wir Arbeitenden die gleichen Interessen und müssen sie gegen die Profitgier der Kapitalisten verteidigen. Und je zahlreicher wir dies tun, je mehr wir dabei zusammenhalten, desto stärker können wir sein. Und eben dafür sind Nationalismus und wiederentstehende Grenzen eine echte Gefahr.

Deshalb: Nieder mit der Festung Europa! Es lebe das Europa der Arbeiter!

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