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Nr. 32, Juni 2011 - Leitartikel

Eine Bevölkerung versucht, sich gegen ihre Ausplünderung zu wehren

Bei riesigen Demonstrationen schreien bis zu hunderttausende Arbeitende, Arbeitslose, Rentner und Jugendliche in Griechenland seit über zwei Wochen ihre Wut und Verzweiflung heraus: Ihre Verzweiflung über die immer neuen Sparpläne, die sie und ihre Familien in den Abgrund reißen. Ihre Wut auch auf das ganze politische System: Der verhasste Finanzminister, der „Spar-minister“, musste bereits zurücktreten.

Vor einem Jahr hatten diese Regierung und die EU erklärt: Nur, wenn die Bevölkerung drastisch spare, könne Griechenland der Krise und der Schuldenfalle entkommen. Doch die Einsparungen haben das Gegenteil bewirkt: In einem Jahr ist die Arbeitslosigkeit von 11 auf 16 % gestiegen. Die Löhne sind um 20% gesunken. Eine Krankenschwester verdient nur noch rund 900 Euro im Monat... während die Preise stetig steigen. Jedes dritte Geschäft oder Café der Einkaufsstraßen hat bereits geschlossen.

Für die einfache Bevölkerung haben die Sparpläne eine fürchterliche Armutsspirale in Gang gesetzt. Und obendrein treiben die Massenentlassungen und Einsparungen im Öffentlichen Dienst Griechenland auch immer stärker in die Schulden. Denn je mehr Arbeitslosigkeit, Armut und Firmenpleiten es gibt, desto weniger Einkommen hat auch der Staat und desto schlimmer wird die Verschuldung.
Und dennoch wird Griechenland von der EU heute wieder gezwungen, bis 2015 weitere 78 Milliarden einzusparen.

Warum aber zwingt die EU Griechenland zu weiteren Sparplänen, obwohl sie deren wirtschaftlichen Irrsinn kennt? Deshalb, weil es Merkel und Sarkozy nur darum geht, kurzfristig die Finanzmärkte zu beruhigen: Die großen Banken sollen sehen, dass Griechenland auch wirklich jeden Cent zusammenkratzt, um weiter die Wucherzinsen für seine Schulden zu zahlen. Man hofft, dass das Land dann wieder als kreditwürdig eingestuft wird und damit ein Staatsbankrott vermieden wird. Denn der könnte dazu führen, dass große französische und deutsche Banken, bei denen Griechenland die meisten Kredite hat, selber in die Krise geraten.
Das zu verhindern ist auch das einzige Ziel des neuen „Hilfspakets“ der EU. Griechenland selber und erst recht seine arbeitende Bevölkerung sieht von diesen „Hilfs“-Krediten nichts… außer den dramatischen Sparmaßnahmen, die im Gegenzug verlangt werden: die 150.000 weiteren Entlassungen im Öffentlichen Dienst, die weitere Senkung der Löhne sowie die Privatisierung von quasi Allem: von der Bahn über die Häfen bis zum Trinkwasser.

Und wieder profitieren vor allem deutsche und französische Konzerne von diesem Ausverkauf: Schon hat sich zum Beispiel die Deutsche Telekom für einen Schnäppchenpreis die staatliche griechische Telefongesellschaft unter den Nagel gerissen.
Es sind die reichen EU-Staaten, allen voran Deutschland und Frankreich samt ihrer Banken und Konzerne, die Griechenland immer weiter in Elend und Schulden treiben und denen obendrein die „Hilfspakete“ dienen.
Merkel aber besitzt die Dreistigkeit, diejenigen zu Sündenböcken zu machen, die am meisten darunter leiden: die griechischen Arbeiter und Rentner! Merkel beschimpft sie als faul, obwohl sie genau weiß, dass die Arbeitenden in Griechenland sogar mehr Stunden im Jahr arbeiten als in Deutschland und sie genauso spät in Rente gehen – mit mickrigen 600 Euro Rente. Und wenn bald vielleicht wirklich viele Griechen nicht mehr arbeiten, dann nur… weil Merkels Sparpläne sie arbeitslos gemacht haben!

Wir in Deutschland dürfen uns auf diese Propaganda nicht einlassen. Das, was heute den Griechen passiert, kann morgen oder übermorgen sehr wohl auch unser Schicksal sein.

In keinem Land haben die Arbeitenden die Milliarden an Schulden gemacht. Wir haben von diesem Geld nie etwas gesehen. Die Schulden wurden einzig für die Banken und Konzerne gemacht. Wir dürfen nicht länger zulassen, dass wir für sie verantwortlich gemacht werden und man uns damit immer weiter ausplündert und bergab treibt.

Überall, wo sich Arbeitende wie heute in Griechenland gegen diese Ausplünderung wehren, wehren sie sich damit letztlich für alle Arbeitenden. Denn auf Dauer haben die Arbeitenden aller Länder nur diese eine Chance: Sie müssen es schaffen, zusammenzuhalten und mit großen, tiefgreifenden Kämpfen die Banken und Konzerne zwingen, ihre Schulden selber zu bezahlen!

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