Startseite > Das Rote Tuch > 58 > „Inklusion“: Eine ungeheure Sparmaßnahme auf dem Rücken der Kinder

Nr. 58, November 2013 - Ihre Gesellschaft

„Inklusion“: Eine ungeheure Sparmaßnahme auf dem Rücken der Kinder

Ab kommendem Schuljahr haben Kinder, die eine Behinderung haben oder aus anderen Gründen besondere Förderung brauchen und deshalb bislang Förderschulen (früher Sonderschulen) besuchten, in NRW und anderen Bundesländern das Recht, auf eine Regelschule zu gehen. Dort werden sie in sogenannten „inklusiven“ Klassen mit den anderen Kindern zusammen unterrichtet.

Ursprünglich hieß es, dass in diesen inklusiven Klassen immer zwei Lehrer zusammen unterrichten und die Klassen deutlich kleiner würden. Die Realität jedoch sieht anders aus.

An vielen Schulen (vor allem Grundschulen und Gesamtschulen), an denen schon inklusive Klassen eingeführt wurden, sind die Klassen schnell wieder gewachsen, auf 25 Kinder, manchmal sogar auf 30 – davon fünf mit Behinderungen und besonderem Förderbedarf.

Und die meiste Zeit werden diese Klassen letztlich doch nur von einem Lehrer unterrichtet. Man ist schon froh, wenn es wenigstens an ein bis zwei Tagen die Woche zwei Lehrer sind.

Wie sollen unter solchen Bedingungen Kinder, die eine intensive Förderung brauchen, überhaupt eine Chance haben?
Wie sollen sie nicht unter die Räder der Massenabfertigung geraten?
Die Förderschulen sind sicher kein Paradies. Aber zumindest gibt es hier kleine Klassen, mit 10 oder 12 Kindern und teilweise zwei Lehrern, in denen man sich wirklich um jeden einzelnen Schüler zu kümmern versucht.
Diese Schulen aber werden nun nach und nach geschlossen – und dadurch spart die Regierung langfristig eine Menge Geld. Und genau darum geht es in Wahrheit.
Ja, was die Regierung heute unter dem Namen „Inklusion“ einführt, ist in Wahrheit eine ungeheure Sparmaßnahme: Durch sie werden die betroffenen Kinder nicht integriert, sondern noch mehr ausgegrenzt und vernachlässigt.

Dabei wäre es richtig und könnte ein großer Fortschritt für alle sein, wenn alle Kinder zusammen in einer Schule leben und lernen würden. Wenn Kinder, die im Rollstuhl sitzen, blind sind oder an spastischen Lähmungen leiden, nicht wie heute so oft üblich „versteckt“ werden und von allen anderen Kindern getrennt aufwachsen. Wenn es im Gegenteil für alle Kinder von klein auf selbstverständlich ist, dass es Kinder gibt, die nicht hören können oder unter Autismus leiden und sie erfahren, wie man miteinander umgeht, wie man sich gegenseitig helfen und voneinander lernen kann.

Doch wenn eine Lehrerin statt 30 Schüler jetzt 20 Schüler plus 4 Schüler mit einer Behinderung plus 1 Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten unterrichten soll (und morgen das alles wahrscheinlich in Klassen mit 30 Kindern), und dabei nur ein paar Stunden die Woche Unterstützung von einem Kollegen hat, dann kann das nicht funktionieren.

Dann sind letztlich alle die Verlierer: die Kinder mit Behinderungen und auch die ohne Behinderungen, vor allem diejenigen unter ihnen, die es in der Schule nicht leicht haben und hier Zeit und Aufmerksamkeit brauchen, welche sie unter den Umständen alle noch weniger bekommen werden.

Unter solchen Bedingungen sind die schönen Reden zur Inklusion nichts als ein wirklich zynischer Vorwand, um gerade bei den Kindern, die es am schwersten haben, noch Geld zu sparen.

Das Rote Tuch
Archiv