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Nr. 134, August 2020 - Leitartikel

Schulanfang: Wir zahlen die Folgen der jahrelangen Sparmaßnahmen

In den letzten Wochen sind die Infektionszahlen auch in Deutschland wieder gestiegen. An vielen Orten gab es kleinere Ausbrüche. Und zwar nicht nur durch Urlaubsrückkehrer oder „verantwortungsloses Verhalten Einzelner“. Viele haben sich gerade deshalb infiziert, weil sie nicht im Urlaub waren, sondern... auf der Arbeit! Fast täglich infizieren sich in einem Betrieb 10, 20, 50, manchmal auch über 200 Beschäftigte: in Fabriken, Werkstätten, bei der Ernte, auf Werften... Doch darüber – und über die Verantwortung der Bosse – reden die Politiker und Medien natürlich nicht so gerne.

Mitten in den steigenden Infektionszahlen hat nun die Schule wieder begonnen. Doch das „umfassende Konzept“, das die Landesregierungen angekündigt hatten, ist ein schlechter Scherz. Nicht mal die einfachsten Dinge haben sie organisiert: Zusätzliche Räume, um die Ansteckungsgefahr zu verringern? Fehlanzeige. Zusätzliche Förderung für die Schüler, die in der Corona-Zeit besondere Schwierigkeiten hatten? Von wegen! Corona-Tests für alle Lehrkräfte und ErzieherInnen? Nur auf dem Papier.
Das einzige, was in NRW von ihrem grandiosen Konzept übrigbleibt, ist die Maskenpflicht für die meisten Schüler. Und selbst die Masken müssen die Eltern noch selber kaufen!

Ansonsten werden die Schülerinnen und Schüler in denselben überfüllten Klassen unterrichtet, in denen sich ein Lehrer um 30 Schüler kümmern muss – und selbst dafür sind nicht genug Lehrkräfte da! Sie fahren morgens in denselben überfüllten Bussen und Bahnen, sitzen dicht an dicht in denselben engen Klassenzimmern, in denen zum Teil die Fenster nicht mehr aufgehen, und teilen sich in den Pausen mit 1.000 Schülern zwei WC-Anlagen.
Und wie sollte es auch anders sein, nach all den Jahren, in denen alle Parteien in Bundes- und Landesregierungen die Schulen und Kitas regelrecht kaputtgespart haben? Kinder, Eltern, Lehrkräfte und ErzieherInnen, sie alle bezahlen heute für diese jahrelange Sparpolitik, sie bezahlen mit der Sorge um ihre Gesundheit und den schwierigen Alltagsbedingungen in Schule und Kita.
Jedem ist auch klar, dass immer wieder Kitas, Schulklassen oder ganze Schulen zeitweise geschlossen werden müssen – und angesichts der vollgestopften Klassen wird dies umso häufiger geschehen. Dies aber bedeutet nicht nur einen weiteren Nervenkrieg für die Eltern. Es bedeutet auch, dass die Schülerinnen und Schüler aus den Arbeitervierteln, aus den ärmeren Familien noch mehr benachteiligt werden: diejenigen, die keinen eigenen Computer, kein eigenes Zimmer zum Lernen haben – oder schlichtweg niemanden, der ihnen bei den Aufgaben helfen kann. Sie sind am meisten auf die Schule angewiesen.
Sie sind ohnehin schon seit Jahren die Hauptopfer des Lehrermangels und der großen Klassen. Und mit Corona verschlechtert sich ihre Lage noch weiter.

Derzeit wirft die Regierung mit hunderten Milliarden Euro um sich. Doch nicht ein Cent ist in all ihren „Corona-Rettungspaketen“ für mehr LehrerInnen oder ErzieherInnen vorgesehen! Dafür ist mal wieder kein Geld da, schließlich muss man ja die Bosse von Lufthansa, Daimler und Adidas mit Geld versorgen.
Es geht also genauso weiter wie bisher: Um für „die Wirtschaft“ – sprich in Wahrheit für die Kapitalisten – Geld aufzutreiben, wird bei allem, was für die einfache Bevölkerung wichtig ist, gespart.

Diese Prioritätensetzung, die den Profit vor die Erziehung und die Bedürfnisse der jungen Generation und damit unserer Zukunft stellt, sagt alles über diese Gesellschaftsordnung aus. Ihr kann und darf nicht die Zukunft gehören.

Das Rote Tuch
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