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Nr. 147, Oktober 2021 - Ihre Gesellschaft

Vor 60 Jahren: Wie das Anwerbeabkommen von 1961 die Reihen der Arbeiterklasse verstärkte

Im Oktober 1961 schloss Deutschland mit der Türkei das sogenannte Anwerbeabkommen: Es ermöglichte der deutschen Industrie, zahlreiche Arbeiter aus der Türkei nach Deutschland zu holen.

Von da an streiften Anwerber für Thyssen, Daimler und die Zechenbarone 12 Jahre lang durch die Türkei, um junge Leute zu überzeugen, nach Deutschland zu kommen. So dringend brauchte die Industrie ihre Arbeitskraft!

Fast eine Million türkischer Arbeiter kam nach Deutschland und arbeitete im Bergbau, in der Stahlindustrie, in den härtesten Jobs in den Fabriken und auf dem Bau. Zusammen mit den anderen sogenannten Gastarbeitern aus Griechenland, Italien, Jugoslawien und anderen Ländern waren sie ein Lebensnerv der „deutschen“ Wirtschaft.

Doch sie haben nicht nur wirtschaftlich und kulturell das Land bereichert, sondern vor allem auch die Arbeiterbewegung. Schon bald begannen sie, sich gegen das brutale Arbeitstempo zu wehren und vor allem dagegen, dass sie deutlich schlechtere Löhne als ihre deutschen Kollegen bekamen. Insbesondere 1973 kam es zu über 300 „wilden“ Streiks, denen sich oft deutsche Arbeiter anschlossen und die letztlich Verbesserungen für alle durchsetzten.

Die „Gastarbeiter“, von denen ein Teil bereits in ihrer Heimat in Streiks und teilweise in sozialistischen Bewegungen aktiv gewesen war, prägten über Jahre den kämpferischsten Teil der Gewerkschaftsbewegung, die Arbeiterdemonstrationen... und nicht zuletzt die Abwehrkämpfe, als ab den 70er Jahren mit der Wirtschaftskrise die Entlassungswellen und Betriebsschließungen begannen, zu deren ersten Opfern sie zählten.

Die ehemaligen „Gastarbeiter“ und ihre Nachkommen gehören daher nicht nur zu Deutschland, wie es die Politiker auf ihren Festreden erklärt haben. Sie sind ein wichtiger, kostbarer Teil der Arbeiterklasse.

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