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Nr. 115, Januar 2019 - Ihre Gesellschaft

Vor 100 Jahren: Die Ermordung von Luxemburg und Liebknecht

Am 15. Januar 1919 wurden die Revolutionäre Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von rechtsextremen Freikorps-Soldaten im Dienst der SPD-Regierung ermordet. Die SPD-Führung ließ damit diejenigen umbringen, die der begonnenen Revolution der Arbeiter hätten zum Sieg verhelfen können.

Zwei Monate vorher war die Revolution in Deutschland ausgebrochen: Millionen Matrosen, Arbeiter und Soldaten stürzten am 9. November 1918 den Kaiser und gründeten innerhalb weniger Tage im ganzen Land Arbeiter- und Soldatenräte.

Die SPD setzte sich schnell an die Spitze der Revolution. Sie bildete innerhalb weniger Stunden eine Regierung unter Friedrich Ebert, die sie in Anlehnung an die russische Revolution „Rat der Volksbeauftragten“ nannte. Viele Arbeiter vertrauten der SPD noch und glaubten, sie hätten jetzt eine sozialistische Regierung, die die Revolution unterstützen und fortsetzen würde. Die SPD aber hatte sich nur an die Spitze der Revolution gesetzt, um sie bremsen und vernichten zu können.

Um die Alleinherrschaft der kapitalistischen Klasse in Staat und Fabriken wieder herzustellen, musste die SPD als erstes die Arbeiterklasse entwaffnen. Gleich am ersten Tag ließ sich Ebert eine geheime Direktleitung zu General Gröner legen, also zum Generalsstab der kaiserlichen Armee.
Zwei Mal versuchten die beiden im Dezember, Soldaten, die gerade erst aus dem Krieg zurückkamen, auf revolutionäre Arbeiter und Matrosen in Berlin zu hetzen. Vergeblich. Die Soldaten verbrüderten sich mit den revolutionären Arbeitern und der einfachen Berliner Bevölkerung... gegen ihre Offiziere. Schlagartig wurde vielen Berliner Arbeitern bewusst, dass die SPD-Regierung gegen die Revolution arbeitete.

Um den sich schnell radikalisierenden Massen eine politische Führung zu bieten, gründeten Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und ihre Spartakusgruppe am 1. Januar 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Liebknecht und Luxemburg waren bekannt und geachtet in der Arbeiterklasse, weil sie zu den ganz wenigen Führern der Arbeiterbewegung zählten, die sich von Anfang an aktiv gegen den Krieg gestellt hatten.
Bereits vom 10. November 1918 an
hatten Liebknecht und Luxemburg gewarnt, dass die SPD die Revolution erdrosseln und den Generälen sowie den Krupps und Thyssens die Macht zurückgeben wollte. Und dass die Arbeiterklasse dies nur verhindern könne, wenn sie selber die politische Macht übernehme, die Armee und den alten Staat auflöse und die Großindustrie unter ihre Kontrolle stelle.

In der Hauptstadt, wo die SPD am deutlichsten ihr Gesicht zeigte, fanden diese Ansichten bei immer mehr Arbeitern Gehör. Auf dem Gründungskongress der KPD machte Rosa Luxemburg jedoch deutlich, dass die Arbeiterklasse die Macht erst dann übernehmen kann, wenn die große Mehrheit der Arbeiter in allen Industriezentren und im Land davon überzeugt ist.

Die SPD-Führung und die Generäle wollten der jungen KPD keine Zeit lassen, ihre Ideen im Land bekannt zu machen. Ihnen war klar, dass es dann vielleicht in wenigen Wochen mit ihnen vorbei sein würde. In aller Eile gründeten sie Söldner-Truppen, sogenannte Freikorps, aus Rechtsradikalen, Abenteurern und Offizieren, die dem Krieg nachtrauerten. Und bereits am 4. Januar provozierten sie einen Aufstand der Berliner Arbeiter, um diese vernichten zu können, bevor die Arbeiter im Rest des Landes sich den Ideen der Kommunisten anschlössen.

Am 4. Januar setzte die SPD-Regie-rung den Berliner Polizeipräsidenten ab, einen linken Sozialisten, dem die Arbeiter vertrauten. Sofort gingen über eine halbe Million Arbeiter auf die Straße, davon 100.000 bewaffnet. Sie forderten den Sturz der SPD-Regierung. Luxemburg, Liebknecht und andere Revolutionäre zögerten, zum Aufstand gegen die Regierung aufzurufen, da zu befürchten war, dass die Arbeiter im Rest Deutschlands nicht folgen würden. Doch die junge KPD hatte auch nicht genug Festigkeit und Einfluss, um zu verhindern, dass sich ein Teil der Berliner Arbeiter in den verfrühten Aufstand warf. Und so kämpfte sie selbstverständlich mit aller Kraft an ihrer Seite.

In einem Massaker, mit Kanonen, Maschinengewehren und Flammenwerfern schlugen die rechtsextremen Freikorps unter dem Kommando von SPD-Minister Noske die Arbeiter nieder. Dann durchkämmten sie eine Woche lang Betrieb für Betrieb, Stadtviertel für Stadtviertel. Wahllos wurden hunderte Revolutionäre hingerichtet. Am 15. Januar wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gefasst und ermordet. Die KPD wurde verboten, die meisten ihrer führenden Mitglieder überlebten die nächsten Wochen nicht.

In den folgenden Monaten warfen sich auch die Arbeiter im übrigen Deutschland in den Kampf, um ihre Revolution gegen die SPD und die Reaktionäre zu verteidigen. Doch sie taten dies in jeder Gegend zu einem anderen Zeitpunkt – ohne Partei, die ihre zersplitterten Kämpfe zu einem gemeinsamen Kampf der Arbeiter um die Macht hätte zusammenführen und leiten können. Und so konnte die SPD-Regierung mit Hilfe der Freikorps einen revolutionären Aufstand nach dem anderen niederschlagen, im Ruhrgebiet, in München, in Thüringen...

Die SPD hat den Kapitalismus gerettet. Fünfzehn Jahre später bringt die Großindustrie Hitlers Nationalsozialisten an die Macht, unter ihnen viele ehemalige Freikorps-Soldaten. Ihre erste Aufgabe wird darin bestehen, die gesamte Arbeiterbewegung zu vernichten, Kommunisten, Gewerkschafter und auch die SPD – um dann für Krupp, Thyssen und Co. den nächsten Weltkrieg zu führen.

Als Liebknecht und Luxemburg am 25. Januar 1919 beerdigt werden, folgten über eine halbe Million Menschen dem Trauerzug, der zugleich eine politische Demonstration war. Bis heute gibt es jedes Jahr eine Demonstration, die an ihre Ermordung erinnert und an ihren Kampf und ihre Ideale, die heute weiter aktuell sind.

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