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Nr. 67, September 2014 - Internationales

Irak: Jede Waffenlieferung und Bombe verschlimmert das Chaos und Elend

„Wir haben jetzt die Chance, das Leben von Menschen zu retten“, sagt Merkel. Deshalb liefere Deutschland nun 8.000 Sturmgewehre, 10.000 Handgranaten und vieles mehr an die kurdischen Milizen im Irak, die dort gegen die islamistischen Milizen des Islamischen Staat (IS) kämpfen. Mit demselben abgenutzten Argument, mit dem sie immer ihre Kriegseinsätze rechtfertigen – man müsse „Frieden sichern“ und „der Zivilbevölkerung helfen“ – werfen auch die USA schon wieder Bomben auf den Irak.
 
Sicher, die Methoden der IS-Milizen sind schockierend und barbarisch. Doch weder noch mehr Waffen, noch zusätzliche Bombenangriffe helfen der Zivilbevölkerung dagegen, im Gegenteil. Zusätzlich zu den Massakern der IS-Milizen müssen sie nun auch noch die Bombenangriffe erleiden, die neuen Tod und Zerstörung bringen, sodass es bald gar keine Krankenstation, kein bestellbares Feld, keine Lebensmittel mehr gibt. Ganz zu schweigen von all denen, die vor Gefechten und Bomben fliehen und in Flüchtlingslagern ohne jegliche Hilfe der westlichen Staaten ums Überleben kämpfen.
 
Wie so oft ist die Zivilbevölkerung nur der Vorwand für die militärischen Entscheidungen der imperialistischen Staaten. Ihnen geht es im Irak, Syrien, Libyen, in dieser ganzen Region immer nur um eins: um das Erdöl. Welche Folgen ihre Entscheidungen dann tatsächlich für die Zivilbevölkerung haben, ist ihnen völlig gleichgültig.
Auch diese barbarischen IS-Milizen sind durch die Politik der imperialistischen Staaten stark geworden. USA, Deutschland und Frankreich haben die kleine Terrorgruppe vor zwei Jahren selber mit Waffen ausgerüstet, damit sie mit andren Syriens Herrscher Assad bekämpft.
 
Ihre Kriegspolitik ist auch der Grund, warum die IS-Milizen nun zehntausende Anhänger im Irak gewinnen. Fast 10 Jahre haben die Menschen dort erlebt, wie amerikanische Truppen das Land besetzten, mit Erniedrigung und Folter regierten, immer wieder Bomben auf spielende Kinder und Dorffeste warfen, das Öl plünderten und das einst wirtschaftlich stabile Land in ein Armenhaus verwandelten. Die IS-Milizen geben vor, gegen diese Erniedrigung zu kämpfen.
Und sie profitieren außerdem davon, dass die westlichen Staaten selber Religionen so wichtig gemacht haben. Seit vielen Jahrzehnten nämlich haben die Großmächte die verschiedenen Völker und Religionen im Nahen und Mittleren Osten gegeneinander ausgespielt und sich mal auf die einen, mal auf die anderen gestützt, um ihre Interessen durchzusetzen.
 
Ganz besonders, seit die USA 2003 den Irak überfallen und militärisch besetz haben in der Hoffnung, die Region so besser unter Kontrolle zu haben. Um das besetzte Land in den Griff zu bekommen und Widerstand zu brechen, haben die USA gezielt verschiedene religiöse und ethnische Parteien bewaffnet und ihnen die Herrschaft über bestimmte Gebiete gegeben.
 
Die USA haben sich also auf verschiedene rivalisierende Gruppen gleichzeitig gestützt und diese immer wieder gegeneinander ausgespielt. Sie haben gehofft, auf diese Weise würde keine dieser Gruppen so stark und unabhängig, dass sie die Herrschaft der USA in dem Land in Frage stellen könnte. Stattdessen haben sie den Irak damit in verschiedene Regionen gespalten, in denen zig unterschiedliche militärische Milizen (darunter auch die kurdischen) unablässig um Einfluss und Gebiete Krieg führen.
Weil sie der Lage nicht mehr Herr wurden, sind die US-Truppen 2011 wieder abgezogen und haben das Land seinem Schicksal aus Bürgerkrieg und Chaos überlassen, das sie verursacht haben.

In den ganzen letzten Jahren haben sich alle imperialistischen Staaten problemlos damit abgefunden, dass die irakische Zivilbevölkerung in ständigem Krieg, in Angst vor Anschlägen und militärischen Banden lebt. Dass sie alles verloren hat: Arbeit, einen vollen Magen, ja selbst Medikamente und fließend Wasser. Und dass das Land in verschiedene Kleinstaaten zu zerfallen droht.
 
Doch heute ist das Chaos, das sie in der gesamten Erdölregion des Nahen und Mittleren Ostens verursacht haben, so groß geworden, dass sogar die Ölförderung und damit der Profit der Konzerne in Gefahr ist. Deshalb, und nur deshalb machen sich die imperialistischen Staatschefs heute Sorgen.

Deshalb suchen sie nach einer Möglichkeit, um irgendeine Ordnung in der Unordnung aufrecht zu erhalten, die es ihnen zumindest ermöglicht, weiter ihre Geschäfte zu machen. So sollen ihnen die kurdischen Milizen zumindest die Erdölfelder im Norden des Iraks sichern. Doch selbst das wird immer schwieriger, so sehr haben sie – nach dem afrikanischen Kontinent – nun auch den Nahen und Mittleren Osten ausgeplündert, verarmt und zerstückelt.
 
Was einem der nicht endende, schreckliche Krieg in der ganzen Region, von Syrien über Libyen bis Irak und Palästina heute mit aller Grausamkeit vor Augen führt, ist die Sackgasse, die der Kapitalismus für die Menschheit bedeutet. Krieg, Elend und Barbarei ist das einzige Leben, das diese Gesellschaft, in der Profit und die Interessen einiger Konzerne an erster Stelle stehen, einem wachsenden Teil der Menschheit zu bieten hat.
Und deshalb hat die Menschheit keine Wahl. Sie muss sich wieder die Frage nach einer grundlegend anderen Organisation der Wirtschaft und Gesellschaft stellen.
 

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