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Nr. 85, April 2016 - Ihre Gesellschaft

Gemeinsam mit unseren Bossen demonstrieren? Nein, danke!

Am 11. April hat die IG Metall Stahlarbeiter aus ganz Deutschland dazu aufgerufen, „gemeinsam mit den Stahl-Unternehmern“ für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu demonstrieren. Ja, wirklich: Gemeinsam mit den Bossen von ThyssenKrupp und ArcelorMittal, den Vernichtern von zehntausenden Arbeitsplätzen!
Mit denselben Bossen, die selbst in den Jahren des Stahlbooms und der Rekordgewinne entlassen, ausgelagert und Werke verkauft haben. Und die derzeit die nächsten Fusionen und damit die nächste Vernichtung von Arbeitsplätzen vorbereiten. Es ist, als sollte man gemeinsam mit seinem Henker demonstrieren.

Auch die Forderungen der Demonstration waren die der Unternehmer. Deshalb haben sie den Arbeitern auch den Lohn bezahlt, um demonstrieren zu gehen. Die Stahlbosse wollen nämlich in der EU Ausnahmen bei der CO2-Steuer und Strafzölle für Importstahl aus China durchsetzen, um besser gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten dazustehen.
Nicht, dass sie dafür unbedingt die Arbeiter bräuchten. Die Stahlkonzerne haben bessere und direkte Kontakte zu den Politikern in Berlin und Brüssel. Doch die gemeinsame Demonstration war für sie auch eine Gelegenheit, den Boden für die nächsten Entlassungen zu bereiten. Denn im Grunde haben sie den Arbeitern dort erklärt: Wenn es demnächst zu Entlassungen kommt, dann sind nicht wir Schuld, sondern die EU und die Konkurrenz aus China. Obwohl, nebenbei, die chinesischen Importe in Wahrheit nicht einmal 5% der europäischen Stahlproduktion ausmachen.

Und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wie auch die IG Metall haben sie dabei unterstützt. Denn alle haben den Arbeitern erzählt, dass sie ihre Arbeitsplätze nur retten könnten, indem sie gemeinsam mit den „deutschen“ und „europäischen“ Stahlbossen gegen die Konkurrenz aus China zusammenstehen.

Es gibt kein schädlicheres Gift für uns Arbeiter und keinen widerwärtigeren Versuch, das Klassenbewusstsein der Arbeiter zu vernebeln und zu zerstören. Wenn man diese Konkurrenz-Logik zu Ende denkt, dann müssten die Arbeiter von Thyssen in Duisburg sich auch freuen, wenn „ihr“ Unternehmen gegen den Konkurren-ten ArcelorMittal gewinnt, das Duisbur-ger Werk von Arcelor zumacht und alle dort arbeitslos werden.
Diese Logik zerstört jede Solidarität unter den Arbeitern und damit das Wichtigste, was wir Arbeiter haben. Mit dieser Logik steht am Ende jeder Arbeiter allein. Es ist ein Verbrechen, wenn eine Gewerkschaft dabei mitmacht.
Weltweit kann derzeit mehr Stahl produziert als verkauft werden. Deshalb liefern sich alle Stahlproduzenten mit Billigpreisen und Strafzöllen eine Schlacht um die Absatzmärkte. Und alle Bosse wollen die Folgen dieses Konkurrenzkampfes auf die Arbeiter und die Allgemeinheit abwälzen.

In China hat dies jetzt schon dramatische Folgen: Bis zu 400.000 Stahlarbeiter sollen dort in nächster Zeit entlassen werden. Und arbeitslos werden in China, das bedeutet sofort Elend, Hunger – und oftmals Hunger für die ganze Familie. Betriebe haben auch angefangen, die Löhne zu kürzen. Seit Monaten kommt es in der Kohle- und Stahlindustrie immer häufiger zu Streiks.

Ganz sicher also sind es nicht die chinesischen Arbeiter, die die Arbeitsplätze in Deutschland zerstören. Die Stahlbosse zerstören sie, weltweit!

Die Arbeiter dürfen sich nicht spalten und ablenken lassen. Sie haben nur eine Chance: Dafür zu kämpfen, dass die Unternehmer ihre Arbeitsplätze und Löhne erhalten. Und falls manche Firmen im Moment tatsächlich keinen Gewinn machen sollten, dann sollen die Stahlbosse die Arbeitsplätze von dem Geld erhalten, das sie Jahre und Jahrzehnte lang an der Ausbeutung der Stahlarbeiter verdient haben und wodurch sie heute vielfach zu den 1% Reichsten der Welt gehören.

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