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Nr. 157, September 2022 - Internationales

Putins Flucht nach vorne – und die Reaktionen der Bevölkerung

Mit der Mobilmachung von 300.000 Reservisten in Russland versucht die herrschende Clique in Moskau, nach einer Serie von militärischen Niederlagen das Steuer wieder herumzureißen.

Putin muss um jeden Preis Stärke zeigen und Erfolge vorzeigen können. Zum einen gegenüber den anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion – dem letzten noch verbleibenden Einflussgebiet Russlands. Denn immer mehr von ihnen verlassen bereits das sinkende Schiff und wenden sich in Richtung USA.

Doch es geht auch um die eigene Bevölkerung. Trotz Zensur und harten Gefängnisstrafen verstummt der Protest gegen den Krieg nämlich nicht. Und weitere militärische Niederlagen, die die Schwäche und Verdorbenheit der russischen Machthaber offenbaren, würden diesem Protest Auftrieb geben.

Für das russische Regime geht es also um Alles. Es kann in dem Krieg nicht einfach nachgeben. Deshalb seine Flucht nach vorne.
Die Teilmobilmachung ist jedoch für die Herrschenden eine heikle Angelegenheit. Denn das letzte, was viele russische Familien wollen, ist das ihr Sohn oder ihr Mann in den Krieg geschickt werden. In einen Krieg obendrein, in dem das Risiko zu sterben sehr hoch ist, weil die schlecht ausgestattete russische Armee ukrainischen Streitkräften gegenüberstehen, die vom Westen mit viel moderneren und effizienteren Waffen ausgerüstet werden.

Putin bemüht sich zwar, die Menschen zu beruhigen und wiederholt immer wieder, es sei keine Generalmobilmachung aller wehrfähigen Männer geplant. Man würde nur eine kleine Gruppe einberufen. Doch zu Recht glauben viele ihm nicht. Immer mehr junge Leute, die die Mittel hierzu haben, verlassen fluchtartig das Land.
Bislang hatte der Kreml immer beteuert, nur Freiwillige und Berufssoldaten würden in die Ukraine geschickt. Nun sind es bereits 300.000 Reservisten, die gegen ihren Willen dazu gezwungen werden. Und wer wird es morgen sein, falls die Generäle noch mehr Kanonenfutter benötigen? Die 18jährigen, die gerade ihre Schule beendet haben?
Der “Zar” Putin könnte dann vielleicht erleben, was Zar Nikolaus II. mit der Revolution von 1917 am Ende des Ersten Weltkriegs erfahren durfte: Dass sich ein Krieg ganz schnell gegen die Mächtigen und Reichen wenden kann, die für ihre Interessen die Bevölkerung aufs Schlachtfeld zwingen.

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