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Nr. 121, Juli 2019 - Internationales

Griechenland: Tsipras wird abgestraft für seine Unterordnung unter das Kapital

In Griechenland hat die konservative Partei die Parlamentswahlen gewonnen. Premierminister Tsipras und seine Syriza-Partei mussten abtreten. Das ist das Ergebnis einer Regierung, in die die einfache Bevölkerung vor wenigen Jahren noch so viel Hoffnung gesetzt hatte.
Als Tsipras 2015 an die Macht kam, war die griechische Bevölkerung ausgeblutet: Eine Spirale aus Überschuldung und Spekulationen – an denen die europäischen Banken kräftig verdient hatten – hatte den griechischen Staat 2010 in den Bankrott getrieben. Er wurde unter Vormundschaft gestellt: Die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds zwangen die griechische Regierung, drastische Sparpläne umzusetzen: Die einfache Bevölkerung musste für die Schulden bezahlen, für die sie nicht verantwortlich war!

Die Folgen dieser Sparpläne, die sowohl die konservative wie die sozialdemokratische Partei durchführten, waren dramatisch: Die Arbeitslosigkeit vervierfachte sich, während die Löhne halbiert wurden. Die Krankenhäuser verfielen, zahllose Menschen verloren ihre Wohnung.
Nach fünf Jahren konnte die Bevölkerung nicht mehr: Bei den Wahlen setzte sie ihre Hoffnungen auf eine neue Partei – Syriza – die vorgab, sich den Erpressungen der Banken und den mächtigen Staaten der EU entgegenzustellen und die unerträgliche Sparpolitik zu beenden.
Im Januar 2015 wurde Syriza mit 36% der Stimmen gewählt, und Tsipras wurde Premierminister. Fünf Monate lang weigerte er sich, noch weiter bei Renten, Löhnen und im Öffentlichen Dienst zu sparen, wie es EU und Banken verlangten. Noch Anfang Juli 2015 organisierte er sogar eine Volksabstimmung zu dieser Frage, bei der mehr als 60% der Bevölkerung sich hinter ihn stellten.

Doch Tspiras einzige Perspektive bestand darin, mit den Staats- und Bankchefs über Finanzpläne zu verhandeln. Nie hat er versucht, sich auf Kämpfe der Arbeitenden zu stützen, um die Sparpläne zu verhindern. Und damit war er von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Denn die großen Banken und EU-Staaten waren nicht bereit, ihm auch nur das kleinste Zugeständnis zu machen. Im Gegenteil, sie wollten an Griechenland ein Exempel statuieren, dass kein Land es wagen sollte, sich den Forderungen der großen Banken und imperialistischen Staaten zu widersetzen.
Daher drehten die Banken und Staaten Griechenland den Kredithahn zu. Und nur acht Tage nach der Volksabstimmung gab Tsipras klein bei. Trotz Protesten der Arbeiter stimmte er weiteren Sparplänen und weiteren Entbehrungen für die einfache Bevölkerung zu.

Nachdem Tsipras so viele Hoffnungen und Illusionen geschürt hatte, wundert es nicht, dass den griechischen Arbeitern die Sparpläne nach Syriza-Art im Hals stecken blieben. Dies hat die konservative Partei heute wieder an die Macht gebracht.
Diese wird nicht nur die Sparpläne fortsetzen und verschlimmern. Sie wird der Regierung obendrein auf vielen weiteren Ebenen einen reaktionären Charakter verleihen.

Für uns Arbeiter enthält die Entwicklung in Griechenland zwei wichtige Lehren: Nämlich dass wir nicht darauf hoffen können, dass ein Politiker uns rettet. Und dass alle, die sich der Macht der Banken und des Geldes entgegenzustellen vorgeben, ohne die Wurzeln der kapitalistischen Macht anzugreifen, letztlich selber zu Dienern der Banken und des Großkapitals werden.

Unsere einzige Perspektive besteht darin, selber für unsere Interessen zu kämpfen und den Kampf irgendwann bis zum Ende zu führen, bis zur Enteignung der großen Banken und Konzerne.

(nach einem Artikel unserer französischen Genossen von Lutte Ouvrière vom 8. Juli 2019)

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