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Nr. 140, März 2021 - Leitartikel

Corona: Die kapitalistische Profitlogik ist mörderisch

Endlich sollen sich also alle einmal pro Woche kostenlos testen lassen dürfen. Warum erst jetzt? Schon seit Monaten hätte man kostenlose Tests anbieten können. Viele Ansteckungen wären verhindert worden. Doch erst jetzt, da die Regierungsparteien im Wahlkampf sind und daher trotz wieder steigender Infektionszahlen möglichst viel öffnen wollen, da geht das auf einmal.

Währenddessen läuft das Wichtigste – die Impfungen – noch immer im Schneckentempo: Weil noch immer viel zu wenig Impfstoff ankommt, genau wie fast überall auf der Welt. Mit Ausnahme einiger weniger Staaten stehen alle da und warten. Weil die Impfstoffhersteller sich weigern ihre Patente freizugeben, und andere Pharmakonzerne lieber weiter an „ihren“ Impfstoffen forschen, statt in ihren Anlagen die Impfstoffe ihrer Konkurrenten zu produzieren, was ihnen nicht genug Gewinn bringt.

Mit dem Ergebnis, dass sich das Virus noch länger ausbreiten und noch mehr Menschen töten kann, und dass die Gefahr von Mutationen wächst, gegen die die Impfungen gar nicht mehr wirken. Und dann geht alles von vorne los! Doch die Regierungen sind unfähig und unwillig, sich über diese kurzsichtigen und kriminellen Profitinteressen der Konzerne hinwegzusetzen.
 
Aus demselben Grund haben die meisten von ihnen nicht einmal versucht, mit frühzeitigen und konsequenten Maßnahmen die Ansteckungen auf fast Null zu reduzieren. Einige Länder in Asien und dem Südpazifik allerdings sind diesen Weg gegangen. Sie haben die Pandemie so in den Griff bekommen, haben unendlich weniger Todesopfer und können seitdem ein halbwegs normales Leben führen, was am Ende sogar für die Kapitalisten besser war.

Doch die allermeisten Regierungen wollen sich nicht über den Druck der einzelnen Unternehmer hinwegsetzen oder gar konsequente Maßnahmen gegen deren kurzfristigen Interessen ergreifen. Sie beschränken sich seit einem Jahr darauf zu versuchen, die Infektionen soweit im Zaum zu halten, dass die Intensivstationen nicht überlaufen und die Wirtschaft halbwegs weiterlaufen kann. Dafür nehmen sie unzählige Opfer in Kauf.

Jedes Mal, wenn die Zahlen wieder anfangen zu steigen, zögern die Regierungen Maßnahmen zu ergreifen, um „der Wirtschaft nicht zu schaden“. Sie zögern so lange, bis das Virus sich irgendwann unkontrolliert und massiv ausgebreitet hat. Und dann dauert es Monate, bis es wieder halbwegs unter Kontrolle ist. Auch deshalb, weil die Regierungen dann zwar das soziale Leben einfrieren und Schulen und Geschäfte schließen, aber die Großkonzerne selbst dann nicht zwingen, ihre nicht-lebenswich-tigen Produktionen herunterzufahren.
 
Seit einem Jahr wiederholt sich dieses Szenario vielerorts immer wieder.

In Deutschland hatte die Regierung im Frühjahr frühzeitig eine Reihe Maßnahmen ergriffen, was ein wichtiger Grund war, warum es hier damals nicht ganz so dramatisch war wie in vielen anderen Ländern. Doch seit dem Sommer verhalten sie und die Landesregierungen sich wie all die anderen Regierungen.

In den letzten drei Monaten hat dies fast 50.000 Menschen das Leben gekostet. 50.000, von denen viele noch leben könnten, wenn die Regierung rechtzeitig und konsequent gehandelt hätte.
Und wenn sie zur Verhinderung von Ansteckungen alle Ressourcen mobilisiert hätte: Wenn sie für die Produktion und Durchführung von viel mehr Tests gesorgt hätte; wenn sie diejenigen, die (vorübergehend) ohne Arbeit dastehen, zu einem vernünftigen Lohn eingestellt und geschult hätte, um Tests durchzuführen, Schulkinder in Kleingruppen zu beaufsichtigen, das Personal in Altenheimen und Kliniken zu unterstützen... Stattdessen war nicht einmal genug Personal da, um todkranke Corona-Patienten in ihren letzten Stunden zu begleiten. Viele starben ganz allein.

Die Regierungen rechtfertigen ihre Politik damit, dass man doch an die Wirtschaft denken müsse und „zu viel“ Gesundheitsschutz die „Wirtschaft kaputt mache“. In Wahrheit sieht man an Ländern wie Brasilien, Großbritannien oder den USA, dass genau die Länder, deren Staatschefs am extremsten nach diesem Motto gehandelt und sich geweigert haben, irgendwelche Maßnahmen gegen Corona zu ergreifen, am Ende gesundheitlich UND wirtschaftlich am schlechtesten dastehen.
Die Großkapitalisten können damit leben. Sie finden dank der Regierungen immer einen Weg, sich an der Krise noch zu bereichern. Aber für alle anderen ist die dadurch verschärfte Wirtschaftskrise eine Katastrophe. Und sie wird auch nicht vorbei sein, wenn die meisten geimpft sind.

Für die Millionen, die ihre Arbeit verloren oder nun deutlich weniger Lohn haben, wird nämlich nicht „alles wieder wie vorher“. Für die ruinierten kleinen Selbstständigen ebenfalls nicht.
Mit der Krise sind außerdem rechtsextreme Ideen stärker geworden, vermischt mit Verschwörungstheorien – sowie Gruppen, die diese Ideen mit (Waffen-)Gewalt vertreten. Auch hat sich der weltweite Kampf der Konzerne um den geschrumpften Profit verschärft, angefangen bei dem Kampf, den sie jeden Tag in den Betrieben gegen uns Arbeitende führen. Für uns alle wird die Krise damit ernsthafte, gefährliche Folgen haben.
 
Seit Jahrzehnten versuchen sie uns einzureden, der Kapitalismus sei das einzige System, das funktioniere. Doch er funktioniert eben nicht. Konkurrenzkampf und Profitgier machen ihn unfähig, ein Virus effizient zu bekämpfen. Ebenso wie irgendein anderes ernsthaftes Problem. Im Gegenteil, der Kapitalismus selbst ist die größte Bedrohung für die Menschheit.

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