Startseite > Das Rote Tuch > 149 > Das Profitsystem verschlimmert die Pandemie dramatisch

Nr. 149, Dezember 2021 - Leitartikel

Das Profitsystem verschlimmert die Pandemie dramatisch

Millionen Menschen versuchen mühsam, irgendwie eine Auffrischungsimpfung zu bekommen, über 70-jährige stehen dafür stundenlang in der Kälte Schlange. Denn die Impfzentren sind im Sommer eingespart worden, genau wie die Teststationen, Alltagshelfer*innen in den Kitas und quasi alle anderen sinnvollen Einrichtungen. Und nun müssen sie erst hektisch wieder eingeführt werden, was gefährliche Verzögerungen und noch mehr Belastungen für die Arbeitenden bedeutet. Aber Hauptsache, sie haben ein paar Euro eingespart, schließlich brauchen sie jeden Cent für Geschenke an die Konzerne!

Hinzu kommen all die Regeln, die ebenfalls immer erst auf den letzten Drücker hektisch eingeführt, fast täglich geändert und obendrein von Ort zu Ort widersprüchlich eingeführt werden. Mit dem Ergebnis, dass kaum noch einer nachvollziehen kann, was, wie und warum es gerade gilt. Was die Politiker nicht daran hindert, sich als Moralapostel hinzustellen und zu verkünden, die Pandemie wäre längst im Griff… wenn sich nur alle an ihre Empfehlungen und Regeln halten würden.

In Wahrheit hat ihre Politik einen maßgeblichen Anteil daran, dass sie eben nichts in den Griff bekommen. Und das liegt nicht (nur) an der Unfähigkeit einzelner Politiker – was man schon daran sehen kann, dass die neue Regierung genauso weiter macht wie die alte. Es liegt vor allem daran, dass die Regierung mit der Pandemie auf dieselbe Weise umgeht wie mit allen anderen Fragen in dieser Gesellschaft: An erster Stelle schützen die Politiker die Interessen der großen Konzerne und Banken und an zweiter Stelle ihre Karriere – während sie Verantwortung und Folgen ihrer Entscheidungen auf uns abwälzen.

Die noch ansteckendere Omikron-Variante ist ein weiterer Beweis hierfür. Von Anfang an war klar: Wenn nicht die große Mehrheit der Menschheit geimpft ist, ist die Gefahr von Mutationen, gegen die der Impfstoff nicht mehr richtig wirkt, extrem hoch. Doch die reichen Staaten – und der deutsche Staat an vorderster Front – haben das heilige Recht der Pharmakonzerne verteidigt, allein nach Profitinteressen zu entscheiden, wie viel Impfstoff sie produzieren und zu welchen Wucherpreisen sie ihn verkaufen. Preise, die arme Länder nicht bezahlen können. Mit dem Ergebnis, dass in Afrika, wo die Omikron-Variante wohl entstanden ist, nur 7% der Menschen geimpft werden konnten.

In Deutschland diskutieren die Parteien über eine allgemeine Impfpflicht. Doch wenn sie das mit der Bekämpfung des Virus wirklich ernst meinen würden, dann würden sie erst einmal alles tun, damit die ganze Welt geimpft werden kann! Und das würde heißen, dass sie als allererstes dafür sorgen müssten, dass Patente freigegeben und so viel Impfstoff wie möglich zum Selbstkostenpreis produziert, auf der ganzen Welt verteilt und gespritzt wird. Stattdessen verweigern sie und die anderen reichen Staaten der Hälfte der Menschheit jede Möglichkeit, sich impfen zu lassen.

Die Tatsache, dass es den Pharmakonzernen offensichtlich nur um ihre Bereicherung geht, hat außerdem dazu beigetragen, Misstrauen und Angst vor den Impfstoffen zu schüren. Ebenso die Tatsache, dass die regierenden Parteien die Menschen seit Jahren ständig belogen haben und viele ihnen grundsätzlich nichts mehr glauben. Erst dadurch konnte die bittere Situation entstehen, dass selbst in den Ländern, in denen es genügend Impfstoffe gibt, ein Teil der Bevölkerung diese ablehnen.

Und damit haben sie eine politisch gefährliche Situation geschaffen. Denn es ist die extreme Rechte, die in vielen Ländern aus dieser Situation Kapital schlägt, in Deutschland vor allem die AfD. Heuchlerisch tun sie so, als würden gerade sie sich plötzlich für die
„Freiheit“ einsetzen.

Sie behaupten, für die Freiheit zu demonstrieren, ohne Einschränkungen Restaurants besuchen oder in Urlaub fahren zu können. Aber dass viele Arbeitende dies aus Geldmangel permanent nicht können, weil die Kapitalisten ihnen Niedriglöhne zahlen oder sie entlassen haben, darüber empört sich die Rechte nie.
Sie demonstrieren gegen die „3G-Diktatur“ am Arbeitsplatz. Aber die tägliche Diktatur auf der Arbeit, wo die Bosse uns bis ins kleinste Detail vorschreiben, was wir zu tun haben und willkürlich entscheiden, ob wir morgen überhaupt noch Arbeit haben – diese Diktatur verteidigt die AfD hingegen vehement… als „unternehme-rische Freiheit“.
Und Menschen, die nicht ihrer Meinung sind, bedrohen diese Rechtsextremen im Namen der „Freiheit“ mit dem Tod!

Dass diese rechten Kräfte stärker werden, ist eine ernste Bedrohung für die Arbeiterklasse. Doch die Art und Weise, mit der die Regierungen nicht nur in der Pandemie rücksichtslos die Interessen der Konzerne vertreten und die Folgen auf die einfache Bevölkerung abwälzen, verschafft ihnen ständig weiteren Nährboden. Diese gefährliche Entwicklung lässt sich nur auf einem Weg aufhalten: Wir müssen der kapitalistischen Klasse und ihren Politikern die Leitung der Gesellschaft aus den Händen nehmen.

Und wenn die Pandemie eines deutlich gemacht hat, dann das wir Arbeitenden die Macht und Fähigkeit hierzu haben: Weil wir die „systemrelevante“ Klasse sind, die alles am Laufen hält.
Und noch etwas hat die Pandemie deutlich vor Augen geführt: nämlich wie untrennbar das Los aller Menschen auf der Welt miteinander verbunden ist – und dass alle wichtigen Fragen von uns nur weltweit gelöst werden können. Die Zukunft gehört einer sozialistischen Gesellschaft, in der die weltweite Arbeiterklasse die Geschicke in die Hand nimmt.

Das Rote Tuch
Archiv