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Nr. 56, September 2013 - Leitartikel

Bundestagswahl: Wir haben keine Wahl

Wohl kaum jemand hat die Hoffnung, dass sich durch diese Bundestagswahl etwas verändern wird.
Merkel sagt es sogar offen: Sie will dieselbe Politik „weiter so“ machen wie bisher. Weiter so also mit der Ausbreitung von Niedriglöhnen, Niedrigrenten und Armut? Weiter so mit dem Ansteigen von Miet- und Strompreisen? Weiter so mit der Vernichtung von festen Arbeitsplätzen, weiter so mit der Ausbreitung von Befristung, Minijobs, Leiharbeit, mit immer flexibleren Arbeitszeiten und mehr Arbeitshetze? Und weiter so mit den Sparplänen in den Städten, bei den Bundesländern, den Krankenkassen, der Rente.

Klar ist aber auch, dass es mit der SPD kein bisschen anders würde. Zwar versucht sie krampfhaft, im Wahlkampf als „soziale Partei“ zu erscheinen. Doch Erfolg hat sie damit nicht. Viel zu sehr steckt den Arbeitenden die Regierung Schröder in den Knochen.
Und auch ihre jetzigen „sozialen“ Wahlversprechen sind nicht besser: Winzige Steuererhöhungen für ganz hohe Einkommen soll es geben – vielleicht. Von höheren Steuern auf Profite aber will sie nichts hören. Einen ganz wagemutigen Mindestlohn verspricht sie… von 8,50 Euro, der damit sogar noch unter fast allen (!) Mindestlöhnen liegen würde, die in den letzten Jahren in verschiedenen Branchen eingeführt wurden, ob für Straßenreiniger oder Gerüstbauer. Nichts als ein Armutslohn also.

Und was die Rente angeht: Steinbrück wirbt damit, dass man bei 45 Versicherungsjahren in Zukunft auch „schon mit 63“ „ohne größere finanzielle Verluste“ in Rente gehen dürfe. Doch das ist nichts als ein Ablenkungsmanöver. Die große Mehrheit hätte nichts davon. Sie hat entweder mit 63 noch keine 45 Arbeitsjahre voll oder hat dann so eine niedrige Rente, dass sie sich auch „kleinere finanzielle Verluste“ nicht erlauben könnte. Die SPD aber stellt diese kleine Verbesserung für einige wenige in den Vordergrund, um davon abzulenken, dass sie an den großen Verschlechterungen für die Masse der Menschen festhält: An der Rente mit 67 nämlich, und ebenso an allen Verschlechterungen der Agenda 2010 mit ihrer drastischen Verschlechterung der Krankenversicherung und den Hartz-Gesetzen, die den Unternehmen ein riesiges Arsenal an Knüppeln gegen die Arbeitenden in die Hand gegeben haben.
Ja, „weiter so wie bisher“, dieser Wahlspruch hätte auch gut zur SPD gepasst und ist in jedem Fall eine große gemeinsame Grundlage für eine mögliche Große Koalition.

Aussagekräftig ist auch, worüber alle großen Parteien NICHT reden. Da schließt Opel mitten im Wahlkampf in Bochum ein Werk und vernichtet viele tausende Arbeitsplätze in der ganzen Region. Da stehen 5300 Arbeitende von Praktiker bald auf der Straße und ThyssenKrupp kündigt die Vernichtung von 5000 Arbeitsplätzen an… und keine der Parteien sagt auch nur irgendetwas dazu.
Die wesentlichen Probleme der Arbeitenden, ständige Unsicherheit und Verlust von Arbeitsplatz und Lohn, interessieren sie wenig.

Im Gegenteil, CDU wie SPD wagen es, immer wieder zu betonen, wie gut und wichtig die Agenda 2010 gewesen sei: Dank ihr, also dank HartzIV, der Ausbreitung von Teilzeit und Leiharbeit, der sinkenden Löhne, stünde „unsere“ deutsche Wirtschaft heute so gut da – und das wäre letztlich auch für uns Arbeitende gut! Damit rechtfertigen und unterstützen sie jetzt schon die nächsten Angriffe, die die Unternehmer im Namen der „Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“ gegen die Arbeitenden führen werden.

Im Grunde machen dies – mehr oder weniger offensichtlich – alle großen Parteien, bis hin zur Linkspartei. Denn eines haben sie alle gemeinsam: Sie alle versprechen, dass sie, wenn sie an die Regierung kommen, eine Politik machen werden, die sowohl für uns Arbeitende als auch für die Profite der Unternehmer gut wäre. Das aber ist unmöglich.
Es gibt keinen Mittelweg. Man muss sich entscheiden, entweder für die Arbeitenden oder für die Unternehmer. Und da alle Parteien die Profite der Unternehmen nicht antasten wollen, beteiligen sie sich, wenn sie an der Regierung sind, an den Angriffen gegen die Arbeitenden – ob sie wollen oder nicht.

Damit sich für uns Arbeitende überhaupt etwas verbessern kann, müssen wir uns ernsthaft mit den Konzernen und Banken anlegen, und zwar mit unseren eigenen Waffen: Arbeitsniederlegungen, Streiks, Demonstrationen. Wir müssten massiv an ihre Profite und Reichtümer gehen und sie zwingen, diese zuerst zum Erhalt aller Arbeitsplätze und zur Erhöhung der Löhne einzusetzen.

Noch wissen wir nicht genau, welche Verschlechterungen die großen Parteien im Geheimen schon planen. Sicher aber ist, dass sie kommen werden, sobald die Wahl vorbei ist.
Für die Arbeitenden gibt es keinen Retter von oben. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns so früh wie möglich auf eine Gegenoffensive einstellen, in der wir unsere Lebensinteressen selber verteidigen.

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