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Nr. 75, Mai 2015 - Leitartikel

Es lebe der Streik der Arbeitenden von Kitas, Bahn und Post!

Permanent werden die Arbeitenden angegriffen. Doch gestern bei Amazon, heute in den Kitas, bei Post und Bahn gibt es zehntausende, die nicht mehr alles hinnehmen wollen, die streiken.

Bei der Post wehren sie sich dagegen, dass alle Befristeten in eine neue Tochterfirma gedrängt werden sollen, mit bis zu 20% weniger Lohn. Womit die Post wohl nicht gerechnet hatte: Tausende Unbefristete, die nicht direkt betroffen sind, streiken mit. Denn sie wissen: Gelingt es der Post widerstandslos, einem Teil der Kollegen die Löhne zu kürzen, sind sie morgen als nächste dran.

Bei der Bahn streiken sie vor allem dafür, dass sich jeder Arbeiter weiter frei aussuchen kann, in welcher Gewerkschaft er ist und mit ihr auch streiken darf. Dieses Recht will ihnen nicht nur der Bahn-Vorstand verweigern. Die Regierung will es mit dem sogenannten „Tarifeinheitsgesetz“ allen Arbeitenden wegnehmen.

Und in den Kindertagesstätten kämpfen sie für 10% mehr Lohn. Sie haben es satt, dass die Arbeit immer mehr und immer stressiger wird, während ihr Lohn immer gleich mickrig bleibt. Dass alle Politiker erzählen, wie wertvoll die Arbeit in den Kitas sei, aber von diesem Wert auf ihrem Konto nichts ankommt. Sie wollen endlich eine echte, spürbare Lohnerhöhung, die nicht sofort von der Stromrechnung aufgefressen wird.

Man erzählt ihnen, das sei „nicht bezahlbar“, ihre „teuren“ Löhne würden die öffentlichen Kassen ruinieren. Dass die Kita-Beschäftigten sich von dieser Erpressung nicht beeindrucken lassen und selbstbewusst 200 Euro mehr Lohn im Monat fordern, ist wie eine frische Brise für die Arbeitswelt. Es ist eine Antwort, die alle Bosse verdienen würden!
Denn im Gegensatz zu all diesen parasitären Aktionären, Kapitalisten und Milliardären ruinieren wir Arbeitenden nicht die Betriebe und die öffentlichen Kassen. Im Gegenteil, wir sorgen dafür, dass die Betriebe laufen und Gewinn machen, dass die Bahnen fahren, dass die Kinder betreut werden… Wir sind die wichtigste Klasse in dieser Gesellschaft, ohne unsere Arbeit funktioniert nichts.
Das lassen die Streikenden die Herrschenden heute spüren. Denn es ist die einzige Sprache, die sie verstehen.

Die Herrschenden wollen die Streikenden schwächen, indem sie sie in der Bevölkerung schlecht machen. Sie tun so, als würden die Streikenden ihre persönlichen Konflikte auf dem Rücken der Bevölkerung austragen. Dabei ist es genau umgekehrt!

Nicht die Streikenden, sondern die Aktionäre der Post wollen ihre persönlichen Profit-Interessen durchsetzen und dafür die Löhne kürzen. Und nicht die Streikenden, sondern die herrschenden Politiker sparen seit Jahren auf dem Rücken der Bevölkerung Bahn, Schulen, Kitas kaputt und sorgen so dafür, dass auch ohne Streik jeden Tag Züge ausfallen oder Eltern keinen Kita-Platz bekommen. Die Streikenden, die sich gegen die Sparpolitik wehren, handeln nicht gegen, sondern für die Bevölkerung.

Und vor allem können sie allen Arbeitenden eine Perspektive geben. Sie zeigen den Arbeitenden und insbesondere den Jüngeren, die in den Betrieben oft nur noch ein „Jeder für sich allein“ kennen, dass es möglich ist, gemeinsam zu streiken. Sie können so andere Arbeitende ermutigen, sich ebenfalls gegen Angriffe zusammen zu tun. Denn dies ist der einzige Weg. Alleine haben wir keine Chance. Nur wenn sich Arbeitende zusammentun und gemeinsam die Arbeit niederlegen, können sie den Unternehmer unter Druck setzen. Die Arbeitenden der Bahn, die derzeit gegen die Einschränkungen ihres Streikrechts kämpfen, verteidigen also die wichtigste, die einzig wirksame Waffe aller Arbeiter!

Und je zahlreicher wir uns gemeinsam wehren, desto wirksamer ist diese Waffe. Erst recht, wenn sie die Grenzen der Betriebe und Branchen sprengt. Und das ist möglich. Denn schließlich erleben wir Arbeitenden überall die gleichen Angriffe: Entlassungen, steigende Arbeitshetze, sinkende Löhne…

Heute sehen wir bereits, was es für Auswirkungen hat, wenn in einem einzigen Großbetrieb oder einer Berufsgruppe auch nur eine Minderheit der Beschäftigten für einige Tage die Arbeit niederlegt.
Man kann sich ungefähr vorstellen, wie viel mächtiger wir Arbeitenden werden, wenn wir für unsere gemeinsamen lebenswichtigen Interessen nicht nur in einer Branche, sondern vom Supermarkt über die Kitas bis zu den Chemiebetrieben streiken würden. Wenn nicht nur die Bahnen, sondern auch die Autowerke und die Banken stillstehen.

Solche Momente, wo hunderttausende gleichzeitig die Wut packt, hat es bereits gegeben, auch in Deutschland. In solchen Momenten kehrt sich das Kräfteverhältnis um, werden wir Arbeiter selbstbewusst, während selbst tyrannische Unternehmer gelähmt sind. In solchen Momenten können wir schlagartig vieles durchsetzen, wovon wir heute nicht einmal zu träumen wagen.
Und jeder Streik, der stattfindet, trägt dazu bei, die heutige Resignation und Perspektivlosigkeit aufzubrechen und solche Momente mit vorzubereiten.

Das Rote Tuch
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