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Nr. 143, Juni 2021 - Leitartikel

Beschäftigte und Patienten in Pflegeheimen – Opfer der Profitgier privater Konzerne

Corona hat die schier unmenschliche Belastung auf die Spitze getrieben, unter der die Beschäftigten in den Pflegeheimen wegen des extremen Personalmangels arbeiten müssen.

Sie kriegen erst kurz vor Monatsbeginn ihren Schichtplan, und der wird dann noch ständig umgeworfen. Sie wechseln spontan mitten in der Woche von Spät- auf Frühschicht, springen an freien Tagen für kranke Kollegen ein. Auf der Arbeit herrscht Dauerstress. All das für Löhne, die kaum bis zum Monatsende reichen!

Am schlimmsten sind die Zustände in den kommerziellen Pflegeheimen. Fast die Hälfte aller Pflegeheime gehört mittlerweile solchen kommerziellen Unternehmen, die mit den Heimen Gewinn machen wollen – unter anderem dadurch, dass sie ihre Beschäftigten ohne jeden Tarifvertrag zu Niedriglöhnen ausbeuten.

Mit Schichtdienst 7 Tage die Woche, tags wie nachts, verdient eine Pflegehelferin hier inklusive aller Zulagen im Schnitt nur 1.500 Euro netto – in Ostdeutschland sogar noch mal mehrere hundert Euro weniger. Und selbst das nur, wenn sie überhaupt eine Vollzeitstelle bekommt. Denn obwohl es an Pflegekräften mangelt, bekommt ein ganzer Teil von ihnen nur Teilzeitverträge.
Ganz zu schweigen von all denen, die in den Heimen putzen, Essen zubereiten oder Freizeitangebote betreuen, und die fast alle weniger als HartzIV verdienen.

Angesichts der wachsenden Empörung darüber haben CDU und SPD kurz vor der Bundestagswahl angekündigt, dass sie zumindest die schlimmsten Auswüchse bei den Löhnen beseitigen wollen. Doch selbst das stimmt nicht. Denn ihre neue „Pflegereform“ legt nur fest, dass es in allen Pflegeheimen künftig einen Tariflohn geben soll. Wie hoch der Lohn sein muss, ist aber völlig offen.
Die privaten Pflegeheime können also auch in Zukunft dieselben Niedriglöhne zahlen wie jetzt. Sie müssen sie nur in einen Tarifvertrag schreiben.

Ihr Pflegegesetz ist ein weiterer Beweis, dass wir Arbeitenden von den Politikern freiwillig nichts bekommen werden. Für jede auch noch so kleine Verbesserung müssen wir selber kämpfen!

Selbst wenn die Politiker ihren Gesetzen einen „sozialen“ Anstrich geben, schützen sie in Wahrheit die Interessen der Kapitalisten. Und die wollen sich das gute Geschäft mit den Pflegeheimen nicht vermasseln lassen.

In diesem kranken System nämlich ist die Versorgung hilfebedürftiger Menschen ein „Markt“ geworden – und zwar einer, der aufgrund der steigenden Lebenserwartung immer weiter wächst. Viele Kapitalisten haben uns, unsere Eltern und Großeltern als „Kapitalanla-ge“ entdeckt: mit einer Profitmarge, die fast so hoch ist wie in der Autoindustrie!

Die zwei größten privaten Pflegeheimbetreiber, beides Aktiengesellschaften, sind ein Musterbeispiel hierfür. Da ist die Korian-Gruppe, die in den letzten Jahren zig Pflegeheime aufgekauft hat und damit wirbt, ihren Aktionären wachsende Gewinnmargen zu bescheren. Und die Alloheim Seniorenresidenzen, die seit vier Jahren einem Investmentfonds gehören, dessen erklärtes Ziel es ist, Pflegeheime durch „Rationalisie-rungsmaßnahmen“ für Anleger profitabel zu machen.

Es gibt aber nur einen Weg, Profite mit Pflegeheimen zu machen: Indem man einen Teil des mickrigen Budgets von Staat und Pflegekassen sowie des Geldes, das die Familien zahlen müssen, nicht für die Pflegedürftigen benutzt, sondern es auf die Konten der Aktionäre überweist.
Dieses Budget reicht schon in den gemeinnützigen Einrichtungen von Diakonie oder AWO absolut nicht. Doch wenn man davon auch noch einen Teil abzweigt, um es den Kapitalisten zu schenken, hat es katastrophale Folgen.

Es bedeutet, dass die privaten Pflegeheime gnadenlos sparen. An der Zahl der Beschäftigten. An den Löhnen. Am Essen. An den Freizeitangeboten für die Bewohner. An Allem.

Es bedeutet, dass extrem unterbezahlte Beschäftigte den ganzen Tag wie am Fließband arbeiten und kaum Zeit für ein nettes Wort, geschweige denn eine Unterhaltung haben. Dass die Bewohner isoliert dahinvegetieren. Dass teilweise nicht einmal genug Material und Zeit für einfache Hygienemaßnahmen da ist.

Und eben weil die herrschenden Parteien den Kapitalisten alle Möglichkeiten lassen wollen, Profit zu machen, sind sie nicht bereit, an diesen unmenschlichen Zuständen irgendwas zu ändern.

Es ist eine Schande, wie Menschen hier im Alter leben müssen, nachdem sie Jahrzehnte gearbeitet und unsere Generationen großgezogen haben!

Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt. Wir hätten alle Möglichkeiten, um der älteren Generation ein Leben in Würde, mit Respekt und menschlicher Zuwendung zu ermöglichen. Ein Leben, in dem es abwechslungsreiche, anregende Aktivitäten in und außerhalb der Pflegeheime gibt. Ein Leben, das nicht isoliert vom Rest der Gesellschaft stattfindet.

Doch im Kapitalismus, in dem alles auf Profit ausgerichtet ist, ist dies nicht möglich. In ihm sind wir nur Werkzeuge, die den Kapitalisten dazu dienen, sich zu bereichern. Damit wir als Menschen zählen, müssen wir die Gesellschaft grundlegend anders organisieren. Und zwar so, dass Wirtschaft und Reichtum dem obersten Ziel dienen, allen Menschen ein würdiges Leben zu sichern.

Das Rote Tuch
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