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Nr. 161, Januar 2023 - Leitartikel

Lützerath: Der Schutz der Profite – egal um welchen Preis

Hitzige Diskussionen werden in den letzten Tagen geführt um die Auseinandersetzungen zwischen den Klima-Aktivisten auf der einen – und RWE und der Polizei auf der anderen Seite. Dahinter ist fast in den Hintergrund gerückt, worum es bei Lützerath eigentlich geht: um die rücksichtslose Durchsetzung von Profit-Interessen, mit Unterstützung aller regierenden Parteien.

Seit über vierzig Jahren weiß man, dass Braunkohle als Energiequelle besonders schädlich für das Klima ist. Doch was soll’s! Die Bosse von RWE wollten und wollen um jeden Preis an das braune Gold unter der Erde. Dafür haben sie dutzende Dörfer, die Heimat von zehntausenden Menschen vernichtet. Sie haben riesige Wälder gerodet, die Gegend in eine Mondlandschaft verwandelt – und seelenruhig zugesehen, wie über ihre Braunkohle jedes Jahr enorme Mengen CO2 in die Luft gelangten.
Und selbst jetzt, wo immer mehr Betriebe auf andere Energien umstellen, wo es mit der Braunkohle in absehbarer Zeit vorbei ist, haben die Manager von RWE noch um jeden Quadratkilometer gefeilscht, den sie den Tagebau weiter ausweiten und jede Million Tonne mehr, die sie fördern dürfen.

Die Regierung und der RWE-Konzern nehmen den Krieg und die „Energie-krise“ als Vorwand dafür, dass der Abbau angeblich bis 2030 weitergehen „muss“. Vor drei Jahren hatten sie andere Ausreden, warum die Kohleförderung sogar bis 2038 „unbedingt nötig“ wäre. Und davor noch andere, ebenso wohlklingende Ausreden. Während es immer nur um eines ging: um Profit.

Genau diese Profit-Interessen von RWE schützt die Regierung auch heute. Ihr viel diskutierter Polizei-Einsatz soll dafür sorgen, dass RWE möglichst ungestört und ohne Verzögerungen das braune Gold unter Lützerath fördern kann. Indem die Polizei notfalls gewaltsam alle vom Gelände entfernt und fernhält, die nicht einfach hinnehmen wollen, dass RWE den Tagebau ausweiten darf.
Und was eigentlich niemanden verwundern dürfte: Die Grünen an der Regierung machen dies mit genauso viel Eifer wie allen anderen. Auch für sie sind die Interessen der Konzerne schließlich heilig. Dafür prügeln sie auch auf ihre eigenen Mitglieder ein.
Natürlich wäre es ihnen lieber gewesen, dass die Klima-Aktivisten brav in der Ferne Transparente schwingen und Reden halten… und RWE ungestört weitermachen kann. Dann hätten alle die engagieren Aktivisten gelobt. So aber empören sich Politik und Medien darüber, dass die Protestierenden nicht zur „Gewaltlosigkeit“ aufgerufen haben – sondern Polizei-Ketten durchbrachen, die das RWE-Gelände schützen, und einzelne Böller oder Steine warfen.

Vom RWE-Konzern hingegen hat nie einer „Gewaltlosigkeit“ verlangt. Oder ist die Zwangsumsiedlung von tausenden Menschen keine Gewalt? Ist die bewusste Umweltzerstörung aus Profitgier mit all ihren Folgen, den tödlichen Hitzewellen, Feuersbrünsten und Überschwemmungen keine Gewalt?
Und was ist mit der Gewalt gegenüber den Arbeitenden? Ist es keine Gewalt, wenn RWE trotz Milliardengewinnen tausende Arbeitende aus dem Konzern drängt? Oder wenn der Konzern den Leiharbeitern der Subfirmen, die Flächen roden oder Anlagen reinigen, extrem unsichere und gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen aufzwingt?

Allein über ihre Entscheidungs-Gewalt üben die Kapitalisten täglich Gewalt auf uns aus. Und meist haben sie obendrein die Staats-Gewalt zu ihrer Unterstützung. Denn diese schützt die Gesetze, die die Politiker nicht selten für die großen Kapitalisten, wenn nicht gar mit deren direkter Mithilfe machen.
Gegen die Demonstranten musste RWE selber keine Gewalt anwenden. Das hat die Polizei für sie getan, die mit Schlagstöcken ganz legal die Arme und Beine von Demonstranten brechen und sie vom RWE-Gelände vertreiben durfte.

Gewaltlosigkeit verlangt man immer nur von der einfachen Bevölkerung.

Als 1997 hunderte Bergarbeiter die Bannmeile vor dem Bundestag stürmten, Polizeisperren durchbrachen und Polizeiwagen umwarfen, da wurden die Arbeiter als „Gewalttäter“ beschimpft – nicht jedoch diejenigen, die im Anzug wenige hundert Meter entfernt saßen und (geschützt durch eben diese Polizeisperren) den Bergleuten den Arbeitsplatz und die Existenz rauben wollten!
Ähnlich wird es hier morgen sein, wenn Arbeitende anfangen, sich gegen die Auswirkungen der Krise zu wehren.

Sobald sich die einfache Bevölkerung auch nur etwas entschlossener wehrt, zetern die Herrschenden über ihre „Gewalttätigkeit“: Eben weil ihnen nichts mehr Sorge bereitet, als dass die arbeitende Klasse irgendwann ernsthaft die Nase voll hat und ernsthaft den Kampf gegen das heutige System aufnimmt.

Und nichts weniger als ein Kampf gegen dieses System ist auch nötig, wenn man wirklich das Klima schützen will. Das kapitalistische System nämlich, in dem jeder Konzern macht, was er will und Profit mehr zählt als Menschenleben, ist dazu grundlegend unfähig.
Die meisten der Klima-Aktivisten, die weiterhin hoffen, man müsse nur auf die „richtigen“ Energiequellen umsteigen oder einige „grüne“ Gesetze einführen, enden daher zwangsläufig in einer Sackgasse. In ihrer Logik setzen weiterhin viele von ihnen ihre Hoffnungen in die Grünen – und unterstützen damit eine Partei, die den Kapitalisten bei all ihren Angriffen auf die Arbeitenden wie auch auf das Klima hilft… und deren Anführer obendrein zu den gefährlichsten Kriegstreibern gehören.

Den Kapitalismus zu stürzen und durch eine Gesellschaftsordnung zu ersetzen, in der alle wichtigen Wirtschaftsbereiche Gemeinschaftseigentum sind und nachhaltig geplant werden, statt auf kurzfristigen Profit zu orientieren: Dies ist die einzig mögliche Rettung für die Menschen und das Klima!

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