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Nr. 155, Juli 2022 - Ihre Gesellschaft

Auch nach 9 Wochen: Die Arbeitenden an den Unikliniken streiken weiter!

Der Streik für mehr Personal und Entlastung an den sechs Unikliniken in NRW geht weiter. Und nicht nur das. Seit einer Woche ist die Zahl der Streikenden in mehreren Kliniken wieder um fast ein Viertel gestiegen.
Die wochenlange Hinhalte-Taktik der Klinikvorstände und ihr zweifacher Versuch, den Streik gerichtlich verbieten zu lassen, macht viele wirklich wütend. Das Kalkül von Vorständen und Landesregierung ist damit nach hinten losgegangen.

Diese hatten außerdem geglaubt, sie könnten die Streikenden spalten, indem sie einem Teil (den Pflegekräften auf den Stationen) ein paar Brotkrumen anbieten, während sie den Arbeitenden im Service, der Physiotherapie, Küche, Kita und anderen Bereichen sagen: „Ihr bekommt gar nichts.“ Stattdessen haben 9 Wochen Streik hunderte Arbeitende, die sich vorher nicht kannten, die in verschiedenen Berufen oder verschiedenen Kliniken arbeiten, zusammengeschweißt.

Vorstände und Regierung haben auch darauf gesetzt, dass sich die Stimmung in der Öffentlichkeit irgendwann gegen den Streik wendet. Sie haben eindeutig unterschätzt, wie viele Menschen bereits unter dem Personalmangel in den Krankenhäusern leiden mussten oder selber ähnliche Bedingungen auf der Arbeit haben – und daher die Streikenden aus vollem Herzen unterstützen. Selbst Patienten, deren Behandlungen oder Operationen wegen des Streiks verschoben werden mussten, ermutigen die Streikenden weiterzumachen.

Den Streikenden ist dennoch klar, dass ihr Kampf an Grenzen stößt. Nur eine kleine Minderheit – zwischen 100 und 500 Beschäftigte pro Klinikum – streikt mit. Und auf der anderen Seite stehen Klinikvorstände und Landesregierung, die angesichts von Krise und Milliardenschulden um jeden Preis sparen wollen.

Doch die Stärke der Streikenden ist, dass sie nicht locker lassen. Sie gehen in die Öffentlichkeit. Sie tauchen überall auf, wo Partei-Vertreter der neuen Landesregierung sich zusammenfinden – ob in den Stadträten, bei den Landesparteitagen oder der ersten Sitzung des Landtages, wo diese irgendwann zähneknirschend die vage Zusage gegeben haben, etwas Geld für die Streikenden
herauszurücken.

Auch sonst haben die Streikenden interessante Erfahrungen gesammelt. So haben sie den Vorstand der Essener Uniklinik und eine Woche später den Essener Stadtrat mit einem Besuch überrascht. Und beide haben sich ganz schnell eingeschlossen (!) und Polizei und Ordnungsamt zu ihrer Unterstützung geholt… weil es ihnen zu unangenehm ist, mit den Streikenden zu reden.

Als die Streikenden am Düsseldorfer Landtag verschiedene Parteien zur Rede gestellt haben, hat ein FDP-Politiker aus Versehen ausgeplaudert, dass die Regierung ihnen auch deshalb nicht mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen gewähren könnte, weil das „unfair“ gegenüber den privaten Krankenhäusern (Sana, Helios usw.) wäre. Deren Personal würde dann ja vermehrt in die Unikliniken wechseln – wenn sie ihnen nicht ebenfalls bessere Bedingungen geben.

Sprich: Die Regierung will auch deshalb keine besseren Bedingungen in den öffentlichen Krankenhäusern, damit auch die privaten Krankenhaus-Konzerne weiterhin so wenig Geld wie möglich für die Beschäftigten ausgeben und damit so viel Geld wie möglich den Aktionären zuschanzen können. Auch um deren Interessen zu verteidigen, stellen sich die Herrschenden also so hartnäckig gegen die Forderungen der Streikenden.

Für die Arbeitenden der privaten Krankenhäuser eigentlich der richtige Moment, sich dem Kampf der Uniklinik-Beschäftigten anzuschließen.

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