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Nr. 77, Juli 2015 - Ihre Gesellschaft

Streik an der Charité: Stoppt die Ausplünderung der Krankenhäuser!

10 Tage haben hunderte Krankenpfleger an der Berliner Charité unbefristet gestreikt: Für 600 zusätzliche Stellen und eine feste Höchstzahl, um wie viel Patienten sich ein Pfleger kümmern muss. Von überall haben die Streikenden Sympathie und Unterstützung erhalten, aus der Bevölkerung, aus anderen Betrieben und Kliniken. An 1.300 Krankenhäusern fanden ebenfalls kleine Protestaktionen statt. Denn überall ist der Personalmangel unerträglich geworden. Mittlerweile fehlen laut Ver.di 162.000 Stellen in Krankenhäusern.

Im Nachtdienst allein sein; ständig einspringen, wenn man frei hat; keine Pause machen: All das ist längst Alltag geworden. Ebenso, dass man als Reinigerin kaum noch die Zeit hat, auch nur das Nötigste zu putzen. Denn die Krankenhäuser haben kein Geld für mehr Personal. Weil die Regierung ihnen immer mehr weggenommen hat und weil die kapitalistische Klasse mittlerweile direkt Geld aus den Kliniken herauszieht.

Schon immer hat eine Gruppe von Kapitalisten sich einen kleineren Teil des Budgets der Krankenhäuser eingesteckt, indem sie ihnen zu überhöhten Preisen Medikamente, OP-Besteck, MRT-Geräte und all die andere medizinische Ausstattung verkauft hat. Doch an den Rest dieses milliardenschweren Budgets der Krankenhäuser wollte die kapitalistische Klasse auch heran.
Dafür hat sie in den letzten fünfzehn Jahren gemeinsam mit der Regierung gesorgt. Und zwar, indem sie die Krankenhäuser systematisch in die Verschuldung getrieben haben.

Die Länder haben ihnen die Zuschüsse um ein Viertel gekürzt. Und die Regierung hat im Jahr 2000 ein anderes System eingeführt, wie die Krankenkassen den Kliniken Behandlungen und Operationen bezahlen. Vorher bekam ein Krankenhaus genau das von der Krankenkasse bezahlt, was es auch an Behandlungen durchgeführt hatte. Jetzt aber bekommt es eine feste Summe für eine bestimmte Krankheit oder Operation, egal wie viel real gemacht wurde und wie lange der Patient im Krankenhaus war. Und diese festen Summen sind systematisch zu niedrig. Ständig müssen die Krankenhäuser mehr ausgeben, als sie von den Krankenkassen erstattet bekommen. Und so haben sie Jahr für Jahr Verluste angehäuft. So wurden die Krankenhäuser regelrecht dazu gezwungen, Kredite aufzunehmen. Und das war das Einfallstor für die privaten Kapitalisten und Banken.

Sie ‚leihen‘ nun den Krankenhäusern Geld, um dafür dann Zinsen von ihnen kassieren zu können. Diese Zinsen sind der Hebel, über den die Kapitalisten Geld aus den Krankenhäusern heraussaugen. Und je mehr sich Krankenhäuser verschulden müssen, desto mehr Zinsen stecken sie sich ein – ganz genau wie bei uns Privatleuten.

Für die Krankenhäuser ist das eine Katastrophe: Von ihrem ohnehin schon viel zu geringen Budget müssen sie nun auch noch immer mehr Geld für Zinsen abzweigen. Und deshalb sparen sie dort, wo sie können: vor allem beim Personal. So kommt es zu den katastrophalen Zuständen wie an der Berliner Charité, wo 1000 (!) Arbeitsplätze von Krankenschwestern innerhalb weniger Jahre vernichtet wurden. Und wo alle anderen Bereiche (Reinigung, Küche, Transport) komplett in eine Tochterfirma ausgelagert wurden, in der viele nur noch 8,50 Euro Mindestlohn verdienen.

Mittlerweile sind viele Krankenhäuser derart verschuldet, dass ihre Betreiber, Städte oder Kirchen, sie verkaufen, wenn es möglich ist. Auf diese Weise haben gewinnorientierte Krankenhaus-Konzerne wie Helios oder Asklepios bereits ein Drittel aller Krankenhäuser aufgekauft, die sie dann gnadenlos „durchsanieren“ und wieder „profitabel“ machen: Indem sie im Schnitt ein Viertel der Beschäftigten entlassen, weitere auslagern und alle Stationen schließen, die ihnen nicht rentabel genug sind.

Was rentabel hier heißt? Ganz einfach: Auf Sylt hat Asklepios zum Beispiel die einzige Geburtenstation der ganzen Insel geschlossen, weil diese mit 100 Geburten pro Jahr „nicht ausgelastet“ ist und sich damit finanziell „nicht lohnt“! Ja, sie betreiben Krankenhäuser nach derselben Logik wie einen Privatbetrieb. Doch diese Logik hat im Gesundheitswesen nichts verloren. Hier ist sie lebensgefährlich!

Genau diese kriminelle Logik aber soll in Zukunft auch in den gemeinnützigen Krankenhäusern herrschen. Das will die Regierung mit ihrer neuen Krankenhausreform einleiten. Möglichst viele Stationen und Krankenhäuser, die nach kapitalistischer Logik nicht „ausgelastet“ sind, sollen schließen. Schließlich müssen die „gemeinnützigen“ Krankenhäuser ja sparen… um den Banken die wachsenden Zinsen für ihre Schulden bezahlen zu können.
Der Zynismus der Regierung kennt dabei keine Grenzen: Um den Städten, Landkreisen oder Kirchen die Entscheidung zu erleichtern, das einzige Krankenhaus, die einzige Geburtsstation der Gegend zu schließen, plant die Regierung eine regelrechte ‚Abwrackprämie‘: Wer ein Krankenhaus schließt, kriegt demnächst Geld dafür geschenkt!

Jeder weiß, welche dramatischen Folgen die massive Schließung von Stationen und Krankenhäusern für die Bevölkerung, ganz besonders für die Menschen auf dem Land haben wird. Doch für die Politiker ist das nebensächlich. Die Kapitalisten brauchen in ihrer Krise, in der die klassischen Absatzmärkte nicht mehr wachsen, ständig neue Wege, um Gewinn zu machen. Und der Job der Politiker ist, sie ihnen zu besorgen. Nicht zuletzt, indem sie den Privatkonzernen den Öffentlichen Dienst zum Ausschlachten zur Verfügung stellen – egal mit welchen schlimmen Folgen.

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