Startseite > Das Rote Tuch > 53 > Als Messebauer im „Messeland Nr.1“

Nr. 53, Mai 2013 - Ihre Gesellschaft

Als Messebauer im „Messeland Nr.1“

Ein Leser schreibt:
Seit vielen Jahren arbeite ich als Messebauer auf verschiedenen großen Messen. Man kennt ja diese Messen wie die CeBIT oder die IAA, wo immer alles ganz schick, modern und schön ist. Doch was hinter den Kulissen im „Messeland Nr.1“ Deutschland abgeht, sieht ganz anders aus.
Immer werden aus Kostengründen zu wenig Leute und Zeit für den Aufbau eingeplant. Deshalb müssen wir dann tagelang 12 oder 15 Stunden am Stück arbeiten und werden dabei die ganze Zeit angetrieben, schneller und noch schneller zu arbeiten. Und zwar Tag und Nacht, da es in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern nicht einmal eine Nachtruhe beim Messeaufbau gibt. Wie man solche Arbeitsbedingungen bis zur Rente durchhalten soll, soll mir mal einer der „Experten“ aus den hohen Etagen vormachen.

Viele Kollegen, vor allem aus Osteuropa, werden außerdem nur zu Niedriglöhnen bei irgendwelchen Zeitarbeits- oder Sub-Sub-Subfirmen angestellt. Oder die Messebaufirmen stellen sie – um Geld zu sparen – gleich als „Selbstständige“ ein, wodurch die Kollegen dann obendrein nicht mal eine vernünftige Kranken- und Unfallversicherung haben, obwohl sie oft die gesundheitsschädlichsten und gefährlichsten Arbeiten machen müssen.

Im April habe ich wieder mal unter solchen Arbeitsbedingungen mit rund 20.000 anderen Messebauern die größte Industriemesse der Welt, die „Hannover Messe“ aufgebaut, wo alle großen Firmen ihre neusten Techniken für die Industrie ausstellen. Anschließend konnten wir dann im Fernsehn sehen, wie Angela Merkel bei der Eröffnung all diese zukunftsweisenden Techniken gelobt und vom großen Fortschritt in der Welt geredet hat. Aber ich finde, von Fortschritt kann man erst dann reden, wenn der auch bei uns Arbeitern ankommt.

Das Rote Tuch
Archiv