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Nr. 66, Juli 2014 - Internationales

1914: Der Beginn des ersten Weltkrieges, für die Interessen der Kapitalisten

Vor 100 Jahren begann der erste Weltkrieg; ein Krieg, der in vier Jahren 20 Millionen Menschen das Leben raubte und weitere Millionen für ihr Leben verstümmelte.
Der Krieg kam nicht plötzlich und unerwartet. Er hatte sich über 15 Jahre lang in der massiven Zunahme diplomatischer und militärischer Auseinandersetzungen angekündigt. Auseinandersetzungen, bei denen es letztlich immer um die Vorherrschaft in Europa und mehr noch um die Herrschaft über Kolonien ging.
Kolonien bedeuteten einen wichtigen Zugang zu Rohstoffen und neuen Absatzmärkten. Jedes imperialistische Land wollte für seine Kapitalisten möglichst viele Kolonien und Einflussgebiete erobern.

England und Frankreich hatten als älteste Industriestaaten längst riesige Kolonialreiche aufgebaut. Und nun, am Anfang des 20. Jahrhunderts, waren nicht mehr viele Staaten übrig, die man noch kolonisieren konnte. Umso schärfer wurde die Konkurrenz um sie – einerseits zwischen England und Frankreich, andererseits zwischen ihnen und den jüngeren imperialistischen Staaten, vor allem Deutschland, das noch so gut wie keine Kolonien besaß.

In Deutschland forderten die Großindustriellen „einen Platz an der Sonne“, das heißt ein eigenes, profitables deutsches Kolonialreich. Dazu aber musste man den englischen und französischen Konkurrenten einen Teil ihrer Kolonien wegnehmen – notfalls mit Gewalt. Dafür rüstete sich der deutsche Staat. In den neun Jahren vor dem ersten Weltkrieg steigerte er seine Militärausgaben um 120%.

Mehrfach stand ein Krieg zwischen den Großmächten Deutschland, Frankreich oder England kurz bevor. 1911 zum Beispiel schickte Deutschland Truppen nach Marokko, um Frankreich militärisch an der Kolonisierung Marokkos zu hindern. Es kam noch mal ein Kompromiss zustande: Frankreich besetzte Marokko und schenkte dafür Deutschland Teile seiner Kolonie im Kongo. Doch langfristig konnte das keine Lösung sein, dafür ging es für alle imperialistischen Staaten um viel zu viel.
Die kriegerische Konkurrenz zwischen ihnen wurde schärfer und schärfer, bis drei Jahre später dann ein Attentat auf den österreichischen Thronfolger in Sarajewo, also in Wahrheit ein winziger Anlass ausreichte, damit verschiedene Großmächte sich gegenseitig den Krieg erklärten.
Der erste Weltkrieg wurde zu einem Gemetzel und einer Materialschlacht bislang ungekannten Ausmaßes, in der Panzer, Giftgas, Geschütze und Granaten die Menschenleben verschlangen.
Sehr zur Freude der Rüstungs-, der Kohle- Stahl- und Chemieindustrie, die das Kriegsmaterial lieferten. Ob Krupp, Stinnes, Thyssen oder Rheinmetall, sie und viele andere machten bedeutende Teile ihres Vermögens mit den Schlachtfeldern, dem Blut und den zerfetzten Gliedern der Soldaten. Um 800 Prozent stiegen ihre Gewinne während des Krieges. „Die Dividenden steigen, die Proletarier fallen“, schrieb die sozialistische Revolutionärin Rosa Luxemburg 1916.

In den Jahren vor dem Krieg hatten hier hunderttausende Arbeitende gegen den drohenden Krieg protestiert, in anderen Ländern ebenso. Und selbst in den letzten Tagen vor Kriegsbeginn – als die patriotische und kriegerische Propaganda einen Höhepunkt erreichte – gingen in Deutschland 750.000 Arbeiter gegen den Krieg auf die Straße, dem Aufruf folgend:
„Die herrschenden Klassen, die euch im Frieden knebeln, verachten, ausnutzen, wollen euch als Kanonenfutter missbrauchen. Überall muss den Gewalthabern in den Ohren klingen: Wir wollen keinen Krieg! Nieder mit dem Kriege! Hoch die internationale Völkerverbrüderung!"

Doch die Partei der Arbeiter, die SPD, die bis dahin immer erklärt hatte, dass deutsche und französische Arbeiter sich nicht zum Profit ihrer Kapitalisten in den Krieg hetzen lassen dürften, brach im entscheidenden Moment ein: Als der Krieg tatsächlich begann, erklärte die SPD-Führung, dass man das Vaterland in der Stunde der Gefahr verteidigen müsse, und stimmte im Reichstag für die Kriegskredite.
In dem Moment also, wo die Millionen Arbeitenden, die der SPD vertrauten, diese am meisten gebraucht hätten, verriet die SPD-Führung sie. Sie half der Regierung und den Kapitalisten, die Arbeiter ohne großen Widerstand an die Front und zum Granatendrehen zu schicken.

Schon bald jedoch begann sich erster Unmut über den Krieg zu regen. Und mit jedem Kriegsjahr nahm der Widerwillen und der Widerstand gegen den Krieg zu. Trotz Streikverbot, trotz Gefängnis und Todesdrohungen kam es immer häufiger zu Demonstrationen und Streiks, die laut das Ende des kapitalistischen Massenmordes forderten. Bis sich 1918, am Ende des Krieges, Millionen Arbeiter und Soldaten erhoben.

Heute, 100 Jahre später, ist der Kapitalismus nicht friedlicher geworden. Die Ursachen, die einst zum Ersten Weltkrieg geführt haben, sind noch immer da. So bringt der Kapitalismus immer neue Aufrüstung und neue Kriege hervor. Und er birgt auch weiterhin die Gefahr, uns irgendwann erneut in die Barbarei eines Weltkrieges zu stürzen.

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