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Nr. 61, Februar 2014 - Internationales

Spanien: Abtreibung darf nicht verboten werden!

Für viele Frauen und Männer war es ein schwerer Schock: Die spanische Regierung will die Abtreibung zu einer Straftat machen – verboten und verfolgt, wie sie es unter der rechtsextremen Diktatur von Franco war.

Entsetzt und empört haben in den vergangenen Wochen zehntausende Frauen und Männer protestiert: Sie wollen verhindern, dass dieses Gesetz sie 30 Jahre in die Vergangenheit zurückwirft. Sie wollen das jetzige Abtreibungsrecht erhalten, das es Frauen ermöglicht, sich bis zur 14. Woche frei zu entscheiden. Entscheiden sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch, so wird dieser in einem ordentlichen Krankenhaus durchgeführt.

Kommt das geplante Gesetz jedoch durch, dann gibt es keine Krankenhäuser mehr, die den Eingriff durchführen dürfen – außer in ganz wenigen Ausnahmefällen wie bei nachgewiesener Vergewaltigung. Dann können die Frauen, wenn sie das nötige Geld hierfür aufbringen können, nur noch ins Ausland oder in getarnte Privatkliniken gehen. Und den Ärmeren bleibt nur, entweder die ungewollte Schwangerschaft hinzunehmen oder wie früher heimlich und illegal abzutreiben, ohne medizinische Kontrolle, zum Teil ohne Arzt, in Hinterzimmern… mit dem ernsthaften Risiko, dauerhafte Schäden davonzutragen oder gar die Abtreibung nicht zu überleben.

Es war ein jahrzehntelanger Kampf vieler Frauen und Männer, bis den Frauen zumindest in fast allen europäischen Ländern dieses Los erspart und die Abtreibung erlaubt wurde. Überall mussten sie dafür den wütenden, hartnäckigen Widerstand der Kirche und der konservativen Politiker überwinden, die immer und überall für sich das Recht in Anspruch nehmen, über den Körper der Frauen entscheiden zu dürfen; ihnen auch eine ungewollte Schwangerschaft mit all ihren Folgen aufzwingen zu dürfen.
Doch wie viele demonstrierende Frauen in Madrid riefen: „Mein Körper gehört mir, ich entscheide.“
In den 70er Jahren wurde schließlich in Frankreich, in der DDR und in zahlreichen anderen Ländern die Abtreibung zum ersten Mal frei und legal, in Spanien ab den 80er Jahren.

Viele in Europa hatten die Errungenschaften der 70er-80er wie das Recht auf Verhütung und Abtreibung für gesichert gehalten. Kaum einer konnte und kann sich vorstellen, dass sie wieder in Frage gestellt werden. Doch vor ein paar Jahren mussten bereits die Menschen in Polen erleben, wie ein fortschrittliches Abtreibungsrecht mit einem Federstreich in das rückschrittlichste und grausamste Abtreibungsverbot Europas verwandelt wurde. Und nun ist Spanien an der Reihe.

In dem wachsenden Verfall und Elend dieser kapitalistischen Gesellschaft und bei fast vollständig verschwundenen fortschrittlichen Kämpfe der Arbeiterbewegung werden seit einigen Jahren die rückschrittlichen Ideen auf allen Ebenen stärker. Und die Regierungen tragen dabei einen Teil der Verantwortung. Um ein paar Stimmen mehr von den reaktionärsten Wählern zu bekommen, schrecken sie nicht davor zurück, jedes noch so mittelalterliche und widerwärtige Gesetz wieder aus der Mülltonne zu holen.

Keine Errungenschaft, die wir heute für selbstverständlich halten, ist davor sicher, das Recht auf Abtreibung oder Verhütung ebenso wenig wie das Recht auf Behandlung im Krankenhaus oder Arbeitslosengeld.

Auch ihre Zukunft wird letztlich davon abhängen, dass die Arbeitenden wieder den Kopf heben. Dass sie wieder anfangen, laut und sichtbar für ihre Anliegen und sozialen Forderungen zu kämpfen. Nur so kann ein Gegengewicht entstehen zu den rückschrittlichen Kräften, die heute als einzige spürbar Druck ausüben. Nur große kollektive soziale Kämpfe der Arbeitenden können ein Klima schaffen, in dem auch allgemein fortschrittliche Ideen und Werte wieder an Kraft gewinnen können.

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