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Nr. 73, März 2015 - Internationales

Griechenland: Welchen Ausweg gibt es für die arbeitende Bevölkerung?

Fast alle ihre Wahlversprechen für die einfache Bevölkerung hat die Regierung Tsipras bereits zurückgezogen oder zumindest auf irgendwann später verschoben: Der Mindestlohn bleibt so niedrig, dass er nicht einmal für Miete und Essen reicht, die Renten ebenfalls. Die Privatisierungen auf Kosten der Arbeiter gehen weiter.
Und die Regierung zahlt pünktlich alle Raten, alle Zinsen ihrer Schulden. Ja, während noch nicht klar ist, ob sie die Löhne der Putzfrauen und Lehrer zahlen kann, hat die griechische Regierung allein in dieser Woche 920 Millonen Euro Schulden an den Internationalen Währungsfond (IWF) zurückgezahlt.

Doch selbst das reicht der Troika, bestehend aus IWF, Europäischer Union und Europäischer Zentralbank, noch nicht. Sie will, dass die griechische Regierung sich endgültig ergibt und sich ihr zu Füßen wirft.

Allein dass die griechische Regierung – ohne die Troika zu fragen – zumindest ein Wahlversprechen halten und 300.000 ärmsten Familien Lebensmittelgutscheine und 300 Kilowatt Strom im Monat zur Verfügung stellen will, macht sie schon wütend.
Sie droht Griechenland mit Staatsbankrott, hält ihr das Messer an die Gurgel, damit die griechische Regierung vor aller Augen bedingungslos kapituliert und schwört, dass die Bezahlung der Schulden in Zukunft ihre einzige und oberste Priorität sein wird. Dass sie dafür weitere „Reformen“ bei der Bevölkerung durchführt – sprich dass die Bevölkerung noch weiter verarmen soll.

Dabei haben 5 Jahre dieser Troika-Politik die griechische Bevölkerung bereits ins Elend getrieben: Millionen sind arbeitslos geworden und verarmt. Die Hälfte der Bevölkerung konnte es sich diesen Winter nicht einmal mehr leisten zu heizen. Die Sterblichkeit von Säuglingen ist um fast 50% gestiegen, weil die Troika das Gesundheitssystem kaputt gespart hat!
Und jetzt soll die griechische Bevölkerung noch mehr sparen? Wie viel – bis die ersten Hungersnöte ausbrechen?
Die griechische Bevölkerung hatte Tsipras und seine Partei Syriza gewählt, um diese Höllenfahrt zu stoppen. Sie wollte nicht länger diejenige sein, die die Zeche für Schulden bezahlt, die sie nicht verursacht hat und für die sie nicht verantwortlich ist. Sie wollte, dass man stattdessen endlich an die Reichen, an die Kapitalisten im Inland und die internationalen Banken drangeht.
Heute macht sie die Erfahrung, dass eine Wahl hierfür nicht ausreicht. Denn die Kapitalisten sind nicht bereit, irgendwas herzugeben, oder auch nur darauf zu verzichten sie mehr auszupressen – auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung dies in einer Wahl so entschieden hat. Das erlebt die griechische Bevölkerung gerade mit der Troika, doch sie erlebt es ebenso mit den Kapitalisten im eigenen Land.

Das erste nämlich, was die griechischen Kapitalisten gemacht haben, ist weitere 25 Milliarden Euro aus dem Land zu schaffen: zu den hunderten Milliarden, die bereits auf Schweizer Konten liegen und für die sie keinen Cent Steuern zahlen. Und in den privaten Betrieben war ihre Antwort auf das Wahlversprechen der Regierung, den Mindestlohn zu erhöhen… dass sie sofort die Löhne noch mehr gesenkt haben. Und sie drohen mit Massenentlassungen, wenn man ihren Profiten auch nur ein Haar krümmt.

Nein, die Kapitalisten akzeptieren wirklich gar nichts, wenn sie nicht dazu gezwungen werden. Die Bevölkerung kann sich allerdings nicht darauf verlassen, dass die Regierung Tsipras dies tun wird. Bislang hat diese trotz der dramatischen Lage nicht einmal den Mut gefunden, die offensichtlichste Steuerungerechtigkeit zu beseitigen, nämlich dass die Reederei-Besitzer und die orthodoxe Kirche keinen Cent Steuern zahlen müssen.

Die Arbeitenden Griechenlands jedoch haben ihren Mut und Willen zu kämpfen mehr als einmal bewiesen. Und dies ist die einzige Kraft, auf die sie vertrauen können.

Denn wenn sie verhindern wollen, dass der Egoismus des Kapitals sie in immer größeres Chaos und Elend stürzt, hilft den Arbeitenden Griechenlands nur, sich selber zu organisieren, in den Betrieben, den Banken, den Stadtteilen: Um die Kapitalisten daran zu hindern, ihren Reichtum außer Landes zu schaffen. Um in den Betrieben durchzusetzen, dass die zum Teil seit Monaten ausstehenden Löhne gezahlt werden… Dass die Arbeitenden sich selber massiv einmischen, ist auch das einzige, was die internationalen Banken beunruhigen und sie zu Zugeständnissen bringen kann.

Niemand weiß heute, ob die arbeitende Bevölkerung in Griechenland die Kraft für diesen Kampf aufbringen wird. Sicher ist nur, dass diese Frage entscheidend dafür ist, wie es in Griechenland in den nächsten Jahren weitergeht.

Das Rote Tuch
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