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Nr. 137, November 2020 - Ihre Gesellschaft

Impfstoff: Die Profitgier gefährdet die grandiosen Leistungen der Wissenschaft

Am 9. November hatten die Pharmafirmen Pfizer (USA) und Biontech (Deutschland) verkündet, einen Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt zu haben, der in 90% der Fälle wirkt. Nur einen Tag später verkündete ein russisches Labor, einen Impfstoff mit 92% Wirksamkeit zu besitzen. Am 16. November kündigte das US-Unternehmen Moderna an, sein Impfstoff habe 94,5% Wirksamkeit. Und zwei Tage später erklärten Pfizer und Biontech, ihr Impfstoff habe eigentlich 95% Wirksamkeit.

All diese Ankündigungen dienen vor allem dazu, die Börsenkurse in die Höhe zu treiben und die Staaten dazu zu drängen, mit den Konzernen Kaufverträge über große Mengen ihres Impfstoffs abzuschließen, obwohl die klinischen Tests noch bei keinem vollständig abgeschlossen sind. Mit durchschlagendem Erfolg! Zwischen den reichen Staaten (USA, Westeuropa, Japan, Kanada...) ist ein regelrechter Wettkampf darum ausgebrochen, wer von welchem Konzern als erster Millionen Impfdosen abkauft. Und die Aktie des US-Pharmakonzerns Pfizer ist regelrecht in die Höhe geschossen.

Allein an dem Tag, an dem Pfizer seinen Impfstoff angekündigt hat, hat der Börsenkurs den Aktionären einen Vermögenszuwachs von 30 Milliarden Dollar beschert. Auch die beiden Start-Ups Moderna und Biontech haben es in kürzester Zeit ganz nach oben geschafft: Als Biontech 2019 an die Börse ging, kostete eine Aktie 19 Dollar. Heute kostet sie 90 Dollar, und der Chef von Biontech gehört nun zu den 100 reichsten Deutschen.

Zahlreiche Wissenschaftler haben im letzten Jahr Unglaubliches geleistet. In Rekordzeit haben sie gleich mehrere Impfstoffe entwickelt, die das Potenzial haben, die Pandemie erfolgreich zu bekämpfen. Einige von ihnen sogar mittels einer ganz neuen Verfahrensweise, die vorher noch nie eingesetzt wurde (einem mRNA-Impfstoff). Insgesamt 47 verschiedene Impfstoffe befinden sich bereits in der letzten Testphase.
Doch da es sich alles um private Pharmafirmen handelt, ist es für sie undenkbar, zusammenzuarbeiten und so letztlich der Menschheit den oder die effizientesten und sichersten Impfstoffe zu bieten. Jede dieser Pharmafirmen interessiert nur eins: Sie wollen um jeden Preis ihren Impfstoff an den Mann bringen und das große Geld machen, wie die Ankündigungsschlacht der letzten Tage gezeigt hat. Und so werden sich am Ende nicht unbedingt die Impfstoffe durchsetzen, die am sichersten sind – sondern die, deren Konzerne sie am schnellsten und aggressivsten vermarkten konnten und die die besten Beziehungen zu den Regierungen der reichen Staaten haben.

Mit dieser offensichtlichen Profitgier verstärken die Pharmakonzerne obendrein das Misstrauen, das sich in den letzten Jahren auch aufgrund der vielen Pharmaskandale gegen Impfungen an sich entwickelt hat – und das ist eine Katastrophe!
Die Impfungen gegen viele ansteckende Krankheiten sind ein unglaublicher Fortschritt für die Menschheit. Was es für das gemeinschaftliche Leben für Folgen hat, wenn für so eine Krankheit keine Impfung existiert, das haben wir in den letzten Monaten auf drastische Weise vor Augen geführt bekommen. Doch ihre einzig auf Profit basierende Gesellschaftsordnung hat es geschafft, dass in Deutschland und anderen EU-Staaten die Hälfte der Bevölkerung den Corona-Impfungen so sehr misstraut, dass sie sich lieber gar nicht impfen lassen wollen.

Und umgekehrt führt ihre Profitlogik dazu, dass viele sich gar nicht impfen lassen können. Denn der Impfstoff gegen diese weltweite Pandemie wird nicht weltweit zuerst an die Risikogruppen ausgegeben und diejenigen, die durch ihre Arbeit besonders hohen Ansteckungsrisiken ausgesetzt sind. Nein, der Impfstoff wird verkauft – und zwar zuallererst an die Staaten, die das meiste Geld hierfür bezahlen können. Große Teile der Bevölkerung Lateinamerikas, Asiens und Afrikas werden noch lange auf den Impfstoff warten müssen – oder ihn mangels Geld und Krankenversicherungen niemals zu sehen bekommen.

Die Bekämpfung einer weltweiten Pandemie müsste weltweit organisiert werden, sowohl was die Forschung wie auch die Produktion und Verteilung der Impfstoffe angeht – mit dem Ziel, die gesamte Menschheit bestmöglich zu schützen.
Stattdessen werden all diese wichtigen Etappen auf dem Weg zu einer Impfung den Interessen der Aktionäre der Pharmakonzerne und der Konkurrenz unter den Staaten untergeordnet. Das ist absurd, ineffizient und gefährlich.

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