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Nr. 128, März 2020 - Leitartikel

Corona: Eine Epidemie in einer kranken Gesellschaft

Man kann diese zynischen Reden der Regierung nicht mehr hören, dass Deutschland angesichts des neuartigen Coronavirus „gut vorbereitet“ sei. Wie denn? Seit Jahren hat die Regierung das Gesundheitswesen kaputtgespart. Immer wieder haben Klinikbeschäftigte mit Aktionen und Streiks Alarm geschlagen und mehr Personal gefordert: Denn schon unter „normalen“ Bedingungen klappt es nur deshalb gerade noch so, weil alle bis an den Rand der Erschöpfung arbeiten. Und ein System, das so zusammengespart wurde, kann keinerlei Ausnahmezustände verkraften.

Schon bei den üblichen Erkältungswellen müssen Stationen geschlossen werden, weil kein Personal mehr da ist. Was würde erst passieren, falls es eine ernsthafte Epidemie gibt, mit zehntausenden Infizierten? Und nun, in der Corona-Krise gibt es sofort Milliarden-Hilfspakete für das Kapital, aber nur aufmunternde Worte für das Krankenhauspersonal. Schlimmer noch: Während deutlich wird, dass man zum Infektionsschutz deutlich mehr Einzelzimmer und Intensivbetten bräuchte, werden von der Regierung weiter Stationen und Krankenhäuser geschlossen… weil wir „überversorgt“ wären! Diese verantwortungslose Sparpolitik wird uns vielleicht bald teuer zu stehen kommen.

Dabei zählt Deutschland zu den reichsten Staaten der Welt, die noch über viele Mittel verfügen. Sollte sich die Epidemie zum Beispiel in Schwarzafrika, im Nahen Osten oder in Flüchtlingslagern ausbreiten – wo man über viel weniger Möglichkeiten verfügt, die Epidemie einzudämmen und Kranke zu pflegen als in Europa, China oder Südkorea – dann wird das Virus wesentlich schrecklichere und tödliche Folgen haben.

In den armen Ländern sind Millionen Menschen ja sogar den Krankheiten schutzlos ausgeliefert, für die es schon seit Jahrzehnten Medikamente gibt, wie Tuberkulose, Cholera oder Masern – schlicht und einfach, weil sie sich die Medikamente nicht leisten können. Oder sie sterben an Krankheiten wie Malaria oder dem Dengue-Fieber, wo die Pharmaindustrie gar nicht erst in die Erforschung von Medikamenten investiert, weil fast nur arme Menschen von ihnen betroffen sind.
Ja, der Schutz von Menschen und ihrer Gesundheit ist mit der Profitlogik unvereinbar!

Das wird auch bei Corona wieder deutlich. In immer mehr Ländern werden alle Schulen und Unis geschlossen und alle öffentlichen Veranstaltungen abgesagt – also all das, was die Profite zumindest der meisten Konzerne nicht zu sehr schmälert. Aber die Betriebe werden nirgendwo geschlossen – auch nicht in Italien, wo quasi Ausgangssperre herrscht.
Büros arbeiten zwar vielfach von zuhause. Aber in den Fabriken müssen weiter täglich hunderte oder tausende Arbeiter eng beieinander arbeiten. Und zwar nicht, um Lebensmittel oder Medikamente herzustellen, sondern Autos, Handys, Waffen oder Gucci-Taschen – alles Dinge, auf die die Welt problemlos ein oder zwei Monate warten könnte. Aber solange es irgendwie geht, sollen die Bänder weiter laufen… damit der Rubel weiter rollt.

Was uns das Coronavirus außerdem vor Augen führt ist, wie eng die Globalisierung die ganze Welt untrennbar miteinander vernetzt hat. Menschen und Waren können heute in 24 Stunden jeden Teil der Welt erreichen – und das ist ein riesiger Fortschritt.
Doch natürlich können sich ebenso schnell Viren weltweit verbreiten. Und dagegen helfen auch keine Grenzmauern, auch wenn sich die AfD, Trump und Co. nicht zu blöde sind, dies zu behaupten. Viren lassen sich von Grenzen ebenso wenig aufhalten, wie der Eiserne Vorhang die radioaktiven Strahlungen von Tschernobyl aufgehalten hat.

Kein Land kann sich völlig vom Rest der Welt abschotten. Und es würde auch nichts besser machen, im Gegenteil. Dass wir zum Beispiel schon nach zwei Monaten ganz viel über das neue Virus, seine Übertragung und Symptome wissen, es schon Tests und bereits erste Medikamente in der Erprobung gibt – all das liegt doch gerade daran, dass wir nicht nur die Ergebnisse deutscher Labore, sondern die der ganzen Welt zur Verfügung haben.

Wirtschaftlich ist der Virus längst ebenfalls eine weltweite Angelegenheit. Die Quarantäne-Maßnahmen haben überall Folgen. Doch was viel gefährlicher ist: Da die Spekulanten wegen der maroden und kriselnden Weltwirtschaft ohnehin schon nervös waren, hat bereits die Sorge vor größeren Einbußen durch Corona zu einer regelrechten Panik an allen Börsen geführt. Der Absturz ist bereits so massiv, dass alle befürchten, er könne wie 2008 eine weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise auslösen.
Ja, ein Virus – einer der kleinsten lebenden Organismen auf der Welt – könnte eine Weltwirtschaftskrise auslösen! Falls noch jemand einen Beweis brauchte, dass die kapitalistische Wirtschaftsordnung einem Irrenhaus gleicht: Hier ist er.

Und auf eins können und müssen wir uns vorbereiten: Die kapitalistische Klasse wird alles dafür tun, dass wir Arbeitenden diese neue Krise bezahlen. Schon jetzt haben erste Konzerne Entlassungen im Namen von Corona angekündigt.
Die Regierung schnürt ihrerseits erste Hilfspakete. Doch wie immer sollen die Milliarden öffentlicher Gelder nicht die Arbeitsplätze retten, sondern einzig die Dividenden der Aktionäre und die Einkünfte der kapitalistischen Klasse. Nicht einmal die Betriebe, die die Hilfsgelder bekommen, müssen auf Entlassungen und Betriebsschließungen verzichten!

Wenn uns Corona eines erneut ganz deutlich macht, dann wie verantwortungslos und gefährlich der Kapitalismus ist. Um diese Krankheit loszuwerden, muss die arbeitende Klasse ihn stürzen.

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