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Nr. 143, Juni 2021 - Internationales

Namibia: Die deutsche Kolonisierung und der Völkermord haben Folgen... bis heute

Endlich – nach 110 Jahren hartnäckiger Weigerung – hat die deutsche Regierung die Vernichtung der Herero und Nama in der ehemaligen deutschen Kolonie Namibia als das anerkannt, was es war: Völkermord.

1884 besetzte der deutsche Imperialismus das Gebiet des heutigen Namibia und machte es zu seiner Kolonie. Die einheimische schwarze Bevölkerung wurde zu Menschen zweiter Klasse erklärt, ohne jegliche Rechte. 15.000 weiße Siedler, hauptsächlich Deutsche, kamen und nahmen sich einfach das gesamte fruchtbare Land. Die Stämme, die vorher auf diesem Land lebten, wurden vom Militär brutal verjagt. Die Farmen, die die weißen Siedler gründeten, raubten außerdem den nomadischen Hirtenvölkern das lebenswichtige Weideland für ihre Tiere.

Zwei dieser Völker, die Herero und die Nama, begannen 1904, sich gegen ihre Unterdrückung und die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage durch die deutsche Kolonialherrschaft zu wehren. Sie belagerten Militärstationen, blockierten Bahnlinien und überfielen Handelsniederlassungen. Und anfangs waren sie den überraschten Kolonialtruppen weit überlegen.

Doch dann schickte das Deutsche Reich 15.000 Soldaten nach Namibia, um die Revolte der unterdrückten Völker mit aller Gewalt niederzuschlagen. Der Generalleutnant, der das Kommando führte, gab den Befehl, alle Angehörigen der aufständischen Völker umzubringen: Männer, Frauen und Kinder. Und genau das passierte. Als es den deutschen Truppen gelang, große Teile der Aufständischen gefangen zu nehmen, wurden Zehntausende jeden Alters und Geschlechts erschossen oder zum Sterben in Konzentrationslager gesteckt.
Einem Teil der Herero gelang es, in die Wüste zu fliehen. Doch die deutschen Truppen umzingelten sie mit einem 250 Kilometer langen Absperrgürtel, vergifteten das Trinkwasser der wenigen Wasserstellen und warteten, bis alle Herero verdurstet oder verhungert waren.

65.000 der insgesamt 80.000 Herero und die Hälfte der 20.000 Nama wurden innerhalb von vier Jahren umgebracht. Das Deutsche Reich war bereit, zwei ganze Völker auszurotten, um für längere Zeit jeden Widerstand gegen ihre imperialistische Ausbeutung Namibias zu ersticken.

Jahrzehnte haben deren Nachfahren dafür gekämpft, dass die deutsche Regierung zugibt, dass dies Völkermord war. Es ist ein moralischer Sieg für sie, dass dies nach 110 Jahren endlich geschieht und die deutsche Regierung eine kleine symbolische Entschädigungssumme von 1,1 Milliarden Euro zahlt.

Doch ihre imperialistische Unterdrückung geht weiter. Die Nachfahren der Herero und Nama leben wie die große Mehrheit der schwarzen Bevölkerung in Namibia noch immer als Menschen zweiter Klasse. 70% des Farmlandes ist noch immer in Händen weißer Farmer, darunter nicht wenige Nachfahren deutscher Kolonisten – während die Schwarzen, die 95% der Bevölkerung ausmachen, zu Armut verdammt sind.
Auch von dem Reichtum an Bodenschätzen (Diamanten, Gold, Uran), die die schwarzen Arbeiter unter extrem gefährlichen Bedingungen abbauen, profitieren neben einer kleinen einheimischen Elite vor allem die westlichen Firmen in Europa und Australien.

Ihre Ausbeutung und Unterdrückung wird erst mit dem Sturz der imperialistischen, kapitalistischen Weltordnung ein Ende haben.

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