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Nr. 17, Januar 2010 - Internationales

Haiti: Das Elend ist nicht nur eine Naturkatastrophe

Niemand weiß bislang, wie viele Menschenleben das Erdbeben gekostet hat, das Haiti zum Teil verwüstete. Wohl weit über hunderttausend, dazu Millionen Obdachlose… und es ist noch nicht vorbei. Denn die sofortigen wie auch die langfristigen Folgen eines solches Erdbebens sind unendlich zerstörerischer und tragischer in einem Land, in dem die Bevölkerung schon vorher in tiefster Not lebte. Schon vor dem Erdbeben mussten viele arme Menschen in Haiti Schlamm essen, um das Hungergefühl zu betäuben.

Diese finstere Armut auf Haiti ist das Ergebnis jahrhundertelanger imperialistischer Ausplünderung: Im 18. und 19. Jahrhundert war die reiche Insel Haiti französische Kolonie. Durch Sklavenhandel und unbeschreibliche Ausbeutung auf den Zuckerrohrplantagen wurde das französische Bürgertum immer reicher, während Haiti immer ärmer wurde.
Und am Ende verlangte Frankreich von Haiti noch eine gigantische Summe, um sich als Kolonie „freizukaufen“ – Schulden, die Haiti für Jahrzehnte niederdrückten.

An die Stelle Frankreichs ist im 20. Jahrhundert die USA getreten. Dessen Kapitalisten haben sich die fruchtbaren Landstücke unter den Nagel gerissen und beuten die Bevölkerung der Städte als billige Arbeitskräfte aus.
Die Großmächte, die Haiti seit Jahrhunderten ausgeraubt und arm gemacht haben, treten jetzt als große Samariter nach dem Erdbeben auf. Doch den USA geht es wohl mehr darum zu verhindern, dass Massen an Haitianern vor dem Horror und Elend in die nahe gelegene USA zu flüchten versuchen, wie dies nach den letzten Hurrikanes geschah, wo die Flüchtlinge auf ihren wackeligen kleinen Booten vor der amerikanischen Küste unerbittlich zurückgeschickt wurden. Auch wollen die USA das Risiko ausschalten, dass vor ihrer Haustür durch die katastrophalen Folgen des Erdbebens soziale Explosionen entstehen könnten.
Und zuletzt geht es ihnen auch darum, Werbung für ihre „guten Taten“ zu machen. Dabei: Was sind die 100 Millionen Dollar, die die USA jetzt einmalig für Haiti freigeben, angesichts der 377 Millionen Dollar, die der Kriegseinsatz in Afghanistan und dem Irak... jeden Tag (!) kostet.

Millionen Menschen dagegen haben spontan und uneigennützig den Erdbebenopfern Geld gespendet. Diese selbstverständliche und leise Solidarität kann die Bevölkerung in ihrer tragischen Lage wirklich gebrauchen.

Ein Ende jedoch wird das Leiden der Bevölkerung Haitis erst dann nehmen, wenn die Ausgebeuteten der Welt dem kapitalistischen System ein Ende setzen und an seiner Stelle eine andere Gesellschaft errichten werden: eine Gesellschaft, die sich die Mittel gibt, den Folgen solcher Naturkatastrophen anständig zu begegnen, statt gigantische Mittel zum Bau und Einsatz von Kriegsmaschinen zu verschwenden.

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