Startseite > Das Rote Tuch > 60 > Migranten-Hetze: Am Ende ein Angriff auf alle Arbeitenden

Nr. 60, Januar 2014 - Leitartikel

Migranten-Hetze: Am Ende ein Angriff auf alle Arbeitenden

Seit Januar haben Rumänen und Bulgaren die gleichen Rechte wie alle anderen Einwohner der EU: Endlich dürfen auch sie sich in der EU frei bewegen und überall arbeiten. Gleichzeitig hat vor allem die CSU eine regelrechte Hetzkampagne gegen die angeblich „faulen“ Rumänen und Bulgaren begonnen, die alle nur HartzIV wollen würden. Das ist nicht nur eine Lüge, es ist vor allem ein gefährliches Gift für alle Arbeitenden.

Die Menschen, die aus Rumänien und Bulgarien nach Deutschland kommen, wollen der Armut entfliehen. Sie kommen in der Hoffnung, zu arbeiten und sich ein besseres Leben aufzubauen. Und die große Mehrheit hat hier eine Arbeit: als Altenpfleger und Krankenschwestern, als Schweißer und Saisonarbeiter. Sie reinigen Industrieanlagen, bauen Schiffe, schleppen Steine, verlegen Kabel, zerlegen Rinder in Schlachthöfen... Und sie zahlen Steuern.

Diejenigen aber, die keinen regulären Job finden können, haben nicht einmal Anspruch auf die paar Kröten HartzIV. Sie bekommen weder Geld für Miete noch für Essen. Ihnen bleibt oft nur, sich in Ghetto-Häusern mit 7 oder 10 Leuten auf zwei Zimmer zu quetschen und zu versuchen, irgendwie Geld aufzutreiben – ein gefundenes Fressen für zahlreiche Unternehmer, die diese Notlage ausnutzen und die Arbeitenden über den „Arbeiterstrich“ schwarz und ohne Krankenversicherung als Tagelöhner für Billigstlöhne schuften lassen.

Ja, die Familien aus Rumänien und Bulgarien gehören zu dem am meisten ausgebeuteten Teil der Arbeiterklasse in Deutschland.
Und es ist lächerlich, dass CSU und CDU es als Gefahr für die öffentlichen Kassen darstellen, wenn ein paar arbeitssuchende bulgarische Familien das Recht hätten, 382 Euro HartzIV zu beantragen. Doch das ist eine alte Masche: Sie picken sich eine der schwächsten Gruppen aus den Arbeitern heraus und machen sie für die leeren Kassen verantwortlich, um von denen abzulenken, die wirklich – und zwar in großem Stil – die öffentlichen Kassen ausplündern und die einfache Bevölkerung bedrohen.

Um von den parasitären Banken abzulenken, die nicht Tausende, nicht Millionen, sondern weit über 100 Milliarden Euro jedes Jahr aus den öffentlichen Kassen heraussaugen.

Um von den Konzernen abzulenken, die jährlich dutzende Milliarden an Subventionen kassieren. Und die obendrein den Sozialkassen Milliarden entziehen, indem sie tarifliche Vollzeit-Arbeitsplätze durch Minijobs und schlecht bezahlte Werkverträge ersetzen und sich sogar noch die Löhne teilweise von HartzIV bezahlen lassen.

Um nicht über die wahre Unsicherheit reden zu müssen, die das Leben der arbeitenden Bevölkerung beherrscht: die Sorge, ob man morgen noch Arbeit hat, ob Lohn oder Rente für alle Rechnungen reicht, wie lange man die Arbeitsbelastung noch aushält…

Und je mehr mit der Krise Armut, Arbeitshetze und Arbeitslosigkeit zunehmen, während auf der anderen Seite eine Minderheit an Reichen immer reicher wird, desto massiver werden sie alles versuchen, um von dieser schreienden Ungerechtigkeit ihrer Gesellschaft abzulenken und die Empörung stattdessen auf Teile der Arbeiterklasse zu lenken.
Das passiert überall. Während bei uns heute eine Kampagne gegen Einwanderer aus Rumänien und Bulgarien läuft, findet in der Schweiz ein Bürgerentscheid statt gegen die „Massen-einwanderung“…arbeitsloser Deutscher.

Wir Arbeitenden können nur verlieren, wenn wir uns gegeneinander aufhetzen lassen. Allein schon deshalb, weil jede Maßnahme, die die Bedingungen für eine Gruppe Arbeitende verschlechtert und unsicherer macht, im Grunde die Bedingungen für alle verschlechtert.
Erinnern wir uns an die Umwandlung des Arbeitslosengeldes in HartzIV. Man erzählte uns, die faulen Arbeitslosen wollten einfach nicht arbeiten gehen, deshalb müsse man sie zwingen. Was war das Ergebnis? Die Arbeitslosen wurden gezwungen, all die Jobs anzunehmen, die sich viele bis dahin geweigert hatten zu machen: Leiharbeit, Minijobs, Stundenlöhne von 6 Euro… bis sich letztlich für alle Arbeitenden die Bedingungen verschlechtert haben.

Dass rumänische und bulgarische Arbeitende kein HartzIV bekommen und ihnen vielleicht sogar droht, wieder aus Deutschland ausgewiesen zu werden, wenn sie 3 Monate lang keine Arbeit finden, hat dieselbe Wirkung. Es verschafft den Kapitalisten eine große Gruppe von Arbeitenden, die bereit sind, wirklich zu jeden – noch so schlechten – Bedingungen zu arbeiten, weil sie nur so im Land bleiben und überleben können. Dies kann auf Dauer nur auf die Arbeitsbedingungen von uns allen drücken.

Auch deshalb ist jede Form von Rassismus und Nationalismus ein gefährliches Gift für uns. Für uns Arbeitende gibt es nur einen Ausweg, wenn wir uns nicht spalten und schwächen lassen. Wenn wir wieder zu Solidarität und Zusammenhalt zurückfinden und uns gemeinsam gegen die herrschende Klasse wenden: Um gegen ihre Profitgier das Recht auf würdige Arbeits- und Lebensbedingungen für Alle zu erkämpfen.

Das Rote Tuch
Archiv