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Nr. 30, April 2011 - Ihre Gesellschaft

Den Kapitalismus muss man abschalten

Seit die Katastrophe in Fukushima begonnen hat, leben die Menschen in Japan in ständiger Ungewissheit und Angst. Und der Stromkonzern Tepco und die Regierung tischen ihnen noch eine Lüge nach der anderen auf: Messwerte werden heruntergespielt, Informationen gelangen – wenn überhaupt – erst Tage später an die Öffentlichkeit… Wissentlich setzen sie so weiterhin Menschenleben aufs Spiel.
Die Verantwortlichen bei uns würden sich nicht anders verhalten. Erinnern wir uns doch nur, wie uns 1986 bei Tschernobyl alle europäischen Regierungen systematisch belogen haben!

Hingegen versuchen heute die Arbeiter von Tepco, Leiharbeiter und Rettungskräfte mit all ihren Kräften, das Ausmaß der Atomkatastrophe einzudämmen. Und Tepco schickt sie oft ohne ausreichende Schutzkleidung und ohne Messgerät in das Werk! Teilweise bekommen sie nur Plastiktüten und Klebeband statt Schutzstiefel.
Wegen dieser schlechten Ausrüstung liegen mehrere Arbeiter bereits mit lebensgefährlicher Verstrahlung im Krankenhaus. Und wie viele werden in den nächsten Monaten und Jahren tödlich erkranken?

Genauso skrupellos wird die Gesundheit der Anwohner aufs Spiel gesetzt. Seit Wochen raten die USA aufgrund der Messergebnisse ihren Staatsbürgern, die Zone von 80km um das AKW herum zu verlassen. Doch die japanische Regierung hat sogar wochenlang gezögert, die Evakuierungszone auch nur von 20 auf 30 km auszuweiten.
Anscheinend gibt es „wichtige“ Gründe für ihr Zögern. Vielleicht die Tatsache, dass die Gegend hoch industrialisiert ist und ein Stillstand der dortigen Fabriken weltweit die Produktion großer Fabriken zeitweise lahm legen würde?

Immer wieder wurden Entscheidungen getroffen, die aus wirtschaftlichen Gründen wissentlich die Sicherheit der Menschen gefährden. Wir kennen es doch selber: Auch bei uns schicken doch die Stromkonzerne Leiharbeiter ohne ausreichenden Schutz und Einweisung in die AKWs. Auch bei uns sparen sie an Sicherheit und Wartung und verursachen so Störfälle wie im AKW Krümel oder gefährliche Lecks wie im Endlager Asse.
Genauso hat Tepco in Japan an der Sicherheit seiner AKWs gespart, hat technische Systeme eingebaut, die absolut nicht für stärkere Beben und Flutwellen ausgelegt waren. Bereits bei leichteren Beben traten Störfälle auf. Doch die wurden vertuscht, Sicherheits- und Reparaturprotokolle wurden gefälscht. Selbst Routinekontrollen an der veralteten Kühlung und Notstromversorgung in Fukushima wurden nicht durchgeführt – was die Regierung sehr wohl wusste.

Immer wieder hatten Ingenieure vor diesen Gefahren gewarnt. Doch ihre Berichte verschwanden im Papierkorb: Schließlich hätte Tepco sonst viel Geld in Modernisierung und Sicherheitsanlagen stecken müssen.

Solchen Leuten, die nur hinter dem Profit her sind, dürfen wir unser Leben nicht anvertrauen! Im Gegensatz zu ihnen beweisen die Arbeiter und Ingenieure Verantwortungsgefühl – überall. Oft genug bügeln sie heute schlimme Fehlentscheidungen der Unternehmen aus. Sie könnten noch viel mehr Unglück verhindern. Denn die Arbeiter und Ingenieure haben das Wissen und Können, um die Entscheidungen der Unternehmen zu kontrollieren, bessere Entscheidungen zu treffen und die Öffentlichkeit über Alles zu informieren. Doch wenn heute einer von ihnen auspackt, wird er sofort entlassen.

Die Entscheidungen fällen stattdessen die Aktionäre. Und deren Streben nach Profit begrenzt zwangsläufig die Sicherheit – denn die kostet Geld. Zwangsläufig spielen sie mit dem Risiko für die Menschen.

Heute erleben wir auf erschreckende Weise das fürchterliche Ausmaß der Folgen, die ihre Unverantwortlichkeit und ihre Profitgier haben können.

Diese Folgen sind sicherlich ganz besonders schlimm bei der Atomenergie, wo ein Unfall über so lange Zeit so viele Opfer fordern kann.
Doch im Grunde steht überall, bei jeder Energieform, jeder Branche, jedem Produkt die Sicherheit hinter dem Profit und hat mörderische Folgen. Wie viele unzählige Tote, Kranke und verseuchte Gebiete fordern all die Explosionen von Chemiefabriken, Tankerunglücke, fordern die ungeschützten Arbeiten mit Giften, mit PCB und Asbest, in Kohlegruben, AKWs, Fabriken und auf dem Bau?

Die meisten dieser Gefahren weiß man technisch zu verhindern – doch die Sicherheit ist im Kapitalismus „zu teuer“. Schlimmer noch – oft genug werden Techniken, wie die Atomenergie, in ihren Kriegen sogar absichtlich zur Verbreitung von Tod und Zerstörung eingesetzt.

Die Politiker, die sich heute angeblich über die Gefahren der Atomkraft aufregen, schweigen von dieser größten und mörderischsten Gefahr, der kapitalistischen Profitlogik. Doch erst wenn wir die abschalten, wenn wir die Produktion auch gesellschaftlich beherrschen, dann werden die größtmöglichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen und wird die Welt sicherer werden.

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