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Nr. 84, März 2016 - Internationales

Türkei: Terroranschläge und Krieg gegen die Kurden vor dem Hintergrund der sozialen Krise

Es ist schon der dritte Terroranschlag in fünf Monaten in Ankara, der Hauptstadt der Türkei: Anfang der Woche hat ein Selbstmordattentäter 37 Menschen in den Tod gerissen und 125 weitere verletzt. Fast alle diese Anschläge, ebenso wie die in Istanbul und anderen Städten, wurden von IS-Attentätern verübt.

Der türkische Staat ist offiziell ein Verbündeter der USA im Kampf gegen den IS. Doch tatsächlich bekämpft er sehr viel mehr die Kurden als den Islamischen Staat. Mehr noch, er hat den IS in Wahrheit seit langem unterstützt und mit Waffen beliefert. Das hat die unberechenbaren Terroristen des IS jedoch nicht davon abgehalten, auch in der Türkei Anschläge zu verüben.

Bei quasi allen Anschlägen hat die türkische Regierung das gleiche zynische Schauspiel aufgeführt: Sie hat erklärt, es stünden höchstwahrscheinlich PKK-Anhänger hinter dem Anschlag – auch wenn sich die PKK von dem Anschlag distanziert hat. Und das reichte der Regierung als Vorwand, um mit erneuter Brutalität kurdische Regionen zu bombardieren oder kurdische Städte in der Türkei mit Armee und Ausnahmezustand zu terrorisieren.

Bei dem aktuellen Anschlag behauptet die türkische Regierung, es stünde eine obskure kurdische Splittergruppe dahinter. Höchstwahrscheinlich ist dies nichts als eine weitere Lüge auf der langen Liste der Regierung. Doch wenn sie den Staatsterror und Krieg gegen die kurdische Bevölkerung in dieser Weise fortsetzt, wird sie dort irgendwann tatsächlich verzweifelte Selbstmordattentäter hervorbringen.

Erdogan hat den Krieg gegen die Kurden wieder aufleben lassen, um von den eigentlichen Problemen im Land abzulenken: Von der massiven Inflation, von der Wirtschaftskrise, von seiner gescheiterten Außenpolitik in Syrien. Immer mehr Arbeiter können von ihrem Lohn nicht mehr leben, Millionen können ihre Kredite nicht bezahlen.

Erdogan hofft, dass durch seine Politik türkische und kurdische Arbeitende damit beschäftigt sind, sich untereinander zu hassen und zu bekämpfen, und dadurch die Unzufriedenheit über die Regierung und die Verschlechterung der Lebensbedingungen in den Hintergrund tritt.

Diese Unzufriedenheit ist immer deutlicher spürbar: Erst Anfang März ist die Armee in die Autofabrik Renault einmarschiert, um gewaltsam die Arbeiter zu vertreiben, die die Fabrik aus Protest gegen Entlassungen und für höhere Löhne besetzt hatten.

So es ist nicht sicher, dass Erdogans Plan aufgeht und die Arbeiter sich dauerhaft von dieser Unzufriedenheit ablenken lassen: Denn von nationalistischen Reden und Kriegshetzerei können sie ihre Rechnungen auch nicht bezahlen.

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