Startseite > Das Rote Tuch > 169 > Im notwendigen Kampf für höhere Löhne, mehr Kitaplätze und Wohnungen sind die (...)

Nr. 169, September 2023 - Ihre Gesellschaft

Im notwendigen Kampf für höhere Löhne, mehr Kitaplätze und Wohnungen sind die Geflüchteten wichtige Verbündete!

Seit es letzte Woche einige tausend Geflüchtete in Holzbooten auf die italienische Insel Lampedusa geschafft haben, zetern die Herrschenden Europas erneut über die angebliche „Invasion“ und „Bedrohung“ durch die Geflüchteten. Welch zynische Verdrehung der Tatsachen!

Die Herrschenden und ihr Wirtschaftssystem machen immer größere Teile der Erde unbewohnbar: durch ihre Kriege, den Klimawandel oder dadurch, dass Börsen-Spekulationen auf Getreide zu Hungersnöten führen. Sie sind es, die uns bedrohen – und nicht die Opfer ihres Systems, die vor den barbarischen Folgen zu fliehen versuchen.

Die angebliche „Invasion“ sind gerade mal 11.000 Menschen, die nur deshalb alle innerhalb so kurzer Zeit nach Lampedusa kamen, weil sie die letzte Chance genutzt haben, bevor das Wetter im Herbst und Winter eine Flucht über das Meer für viele Monate unmöglich macht.

Das ist jedes Jahr so. Doch diesmal hat die italienische Regierung tagelang gewartet, bevor sie die Geflüchteten von der kleinen Insel auf das Festland gebracht oder auch nur mit Trinkwasser und Nahrung versorgt hat. Nur dadurch ist die Lage auf der Insel so unerträglich geworden, für die Geflüchteten wie für die örtliche Bevölkerung.

Italiens rechtsextreme Regierung war angetreten mit dem einen Wahlversprechen, die Migration zu stoppen. Die Ereignisse auf Lampedusa zeigen, was das Ergebnis ihrer Politik ist.

Die italienische Regierung hat systematisch die Hilfsorganisationen und Freiwilligen, die schiffbrüchige Geflüchtete vor dem Ertrinken gerettet haben, verfolgt und vor Gericht gestellt. Sie hat noch mehr Grenzpolizei eingesetzt, um zu verhindern, dass die Boote mit Geflüchteten an Land kommen – auch wenn sie die Menschen auf den Booten damit wissentlich in den Tod geschickt haben. Sie hat alles getan, um in der Bevölkerung Hass gegen die Geflüchteten zu schüren.
Diese Politik hat die Stimmung in Betrieben und Stadtteilen verpestet. Die Migration aber hat sie nicht gestoppt. Denn Lampedusa liegt weiterhin nur 170 km von der Grenze zu Afrika entfernt. Und solange der Kapitalismus so viel Elend und Barbarei auf der Welt anrichtet, werden weiter Menschen fliehen.
Wir Arbeitenden können nur verlieren, wenn wir glauben, dass die widerliche Politik der Regierenden gegen die (neuen und schon länger hier lebenden) Migranten in unserem Interesse gemacht würde. Die Regierenden machen nie Politik für die einfache Bevölkerung.
Morgen werden viele dieser Geflüchteten unsere Arbeitskollegen und Nachbarn sein. Wir Arbeitenden brauchen daher unsere eigene Politik – zusammen mit denen, die neu zur Arbeiterklasse in unserem Land stoßen.

Auch in Deutschland stürzen sich insbesondere CDU und AfD auf die Ereignisse in Lampedusa. Schließlich sind bald Landtagswahlen in Hessen und Bayern. Lautstark fordern sie eine „Obergrenze“ für Geflüchtete und systematische Grenzkontrollen. Sie wissen genau, dass dies Blödsinn ist.

Systematische Grenzkontrollen (wie es sie kurz bei Corona gab) würden alle Lieferketten innerhalb weniger Tage zusammenbrechen lassen und zahllose Menschen aufhalten, die auf der anderen Seite der Grenze arbeiten. Die Migration aber würden sie genauso wenig aufhalten wie in Italien oder den USA. Dort gibt es überall Grenzkontrollen, teilweise sogar eine Mauer zu Mexiko. Doch die Verzweiflung der Flüchtenden überwindet alle Grenzen.

Und in Wahrheit brauchen die Herrschenden die Migranten und ihre unsichere Lage: Wer würde schließlich sonst die härtesten und schlecht bezahltesten Arbeiten machen, in den Pflegeheimen, Paketdiensten, Reinigungsfirmen, auf dem Bau?
Mit ihrer billigen Wahlpropaganda gegen die Geflüchteten versuchen AfD und CDU (und ebenso die Regierungs-Parteien), uns Arbeitende von den wahren Verantwortlichen für unsere Probleme abzulenken.

Sie behaupten, man müsse die Migration einschränken, weil es nicht genug Wohnungen, Kita-Plätze und Geld gäbe. Als wären die Geflüchteten schuld am Wohnungsmangel!

Vonovia hat gerade verkündet, dass sie den geplanten Bau von 60.000 Wohnungen in diesem Jahr gestoppt hat – einfach deshalb, weil sie wegen der gestiegenen Preise zu wenig Gewinn mit ihnen machen würde. Und schon all die Jahre vorher haben alle Immobilienkonzerne viel zu wenig bezahlbare Wohnungen gebaut. Diese Konzerne haben den Mangel verursacht, sie muss man zwingen zu bauen. Dann gibt es auch genug Wohnungen für uns alle.

Und auch Kita-Plätze, Schulen und Geld gibt es für uns alle schon seit Jahren zu wenig. Und zwar nicht wegen der Geflüchteten, sondern weil alle Regierungen das Geld an die Großkonzerne und Reichen verschenken. Allein seit Anfang Juli haben die Konzerne erneut 25 Milliarden Euro an „Hilfen“ bekommen. Nun kommen noch die 100 Milliarden für die Aufrüstung dazu. Hier müssen wir Arbeitenden uns das Geld holen, für Kitas, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen für uns alle.

Egal woher wir kommen und seit wann wir in Deutschland leben: Wir alle sind betroffen von den niedrigen Löhnen, den steigenden Preisen, den fehlenden Wohnungen und öffentlichen Einrichtungen. Und für alle diese Probleme ist die kapitalistische Klasse verantwortlich.

Sie aber ist mächtig, weil sie das Geld und die Betriebe besitzt. Umso mehr können wir Arbeitenden nur dann unsere Interessen gegen sie durchsetzen, wenn wir zusammenhalten. Wenn wir diejenigen, die hierhin fliehen, als unsere zukünftigen Arbeitskollegen und Nachbarn empfangen, als unsere Verbündeten im Kampf gegen die herrschende Klasse, die überall die Welt in den Abgrund treibt.

Das Rote Tuch
Archiv