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Nr. 125, Dezember 2019 - Internationales

Großbritannien: Boris Johnsons erste Maßnahmen sind Angriffe auf die Arbeiter

Wenn man Premierminister Johnson glaubt, dann hätten die vorgezogenen Parlamentswahlen vom 12. Dezember bewiesen, dass das ganze Volk hinter ihm stehen würde und er nun „den Willen des Volkes“ umsetzen werde, der identisch mit seinem Willen sei.

In Wahrheit hat seine konservative Partei nur 43% der Stimmen erhalten, fast genauso viel wie bei den Wahlen zwei Jahre zuvor. Dass sie im Parlament trotzdem 56% der Sitze und damit die absolute Mehrheit ergattert hat, liegt ausschließlich an dem sehr undemokratischen Wahlsystem. Denn in diesem gewinnt in jedem Wahlkreis einfach der Kandidat mit den meisten Stimmen den Parlamentssitz, und die Stimmen für die anderen Parteien verfallen.

Und Johnsons Partei ist nur deshalb diesmal in vielen Wahlkreisen an erster Stelle gelandet, weil ihr Hauptkonkurrent, die sozialdemokratische Labour Party, 8% verloren hat. In einer Wahl, die vollständig von einem Thema – dem Brexit – beherrscht war, hat ein Teil deren Wähler die Labour Party für ihre zwiespältige Haltung in dieser Frage abstrafen wollten. Und viele Wähler aus der arbeitenden Bevölkerung hatten nur noch die Nase voll von dem endlosen Brexit-Zirkus. Sie haben eigentlich ganz andere Sorgen und sind nur noch angewidert von allen Parteien. Ein Drittel sind gar nicht erst zur Wahl gegangen.

Rechnet man die mit ein, haben gerade mal 30% der Wahlberechtigten für Johnson gestimmt. Er ist also weit davon entfernt behaupten zu können, dass er mit seinem Brexit den Willen des ganzen Volkes umsetze. Was ihn und eine Heerschar von Journalisten nicht davon abhält, diesen Mythos zu verbreiten.
Und von dieser angeblichen „Volksunter-stützung“ gestärkt, hat er sofort mehrere arbeiterfeindliche und migrantenfeindliche Gesetze angekündigt: So will er das Streikrecht im Transportwesen noch weiter einschränken, die Gefängnisstrafen verlängern und noch mehr willkürliche Massenkontrollen von Jugendlichen (und insbesondere Migranten) in den Arbeitervierteln durchführen.
In seinem Wahlprogramm steht außerdem unter anderem die Senkung der Steuern für Reiche und Konzerne sowie die Schaffung von „Freihandelszonen“, in denen ein Teil der Arbeits- und Sozialgesetze nicht mehr gelten soll.

Vor einem anderen gesellschaftlichen Hintergrund, aber ebenfalls in einer Zeit wachsender Armut, hatte auch Margaret Thatchers erste Regierung Anfang der 1980er Jahre eine wahre Serie von arbeiter- und migrantenfeindlichen Gesetzen durchgepeitscht.

Diese Angriffe haben zu einer Reihe von harten Streiks und zu einer regelrechten Explosion der Wut, zu einem Aufstand in den Stadtvierteln der Armen geführt. Wenn Johnson den Bogen überspannt, könnte auch er am Ende diese Erfahrung machen.

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