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Nr. 135, September 2020 - Leitartikel

Die Arbeitenden brauchen ihr eigenes Krisenprogramm

Die Wirtschaftskrise sei „gar nicht so schlimm wie befürchtet“, es gehe „bereits wieder bergauf“, hat CDU-Wirtschaftsminister Altmaier verkündet. Über eine halbe Million Arbeitende, die in kürzester Zeit ihren Job verloren haben, das nennt er „nicht so schlimm“?

Und die Liste der Betriebe, die Entlassungen und massiven Stellenabbau ankündigen, wird jede Woche länger. Ebenso der Betriebe, die obendrein bis zu 20% Lohnkürzungen erpressen, wie bei Bosch, Ryanair, ZF, Lufthansa oder Karstadt. Die Schuldnerberatungen kommen nicht mehr hinterher, weil immer mehr Arbeitende, die arbeitslos geworden, in Kurzarbeit oder selbstständig sind, ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Und das nennen sie bergauf gehen?

Bergauf geht es, wenn überhaupt, für die großen Kapitalisten, eben weil sie mit Entlassungen und Lohnkürzungen ihre Profite aufrecht erhalten... und obendrein unfassbare Summen vom Staat kassieren. 130 Milliarden erhalten die Konzerne allein durch das Konjunkturpaket. Von diesem Geld könnte der Staat selber fünf Jahre lang 600.000 (!) Menschen einstellen, um sie in den Altenheimen, Kitas oder Krankenhäusern zu beschäftigen, um bezahlbare Wohnungen zu bauen, um Schulen, Straßen und Brücken zu renovieren, um Busse und Bahnen zu fahren... Auf diese Weise würde das öffentliche Geld wirklich Arbeitsplätze retten und der gesamten Bevölkerung zu Gute kommen.

Stattdessen überweist die Regierung es auf die Konten der Bosse von Lufthansa, Thyssen, Airbus, Adidas, die bereits Dutzende Milliarden besitzen. Die das Geld kassieren – und weiter entlassen.
Und die sogenannten Oppositionsparteien, ob Grüne, FDP oder Linke, machen in den Landesregierungen dieselbe Politik. Sie alle haben zugestimmt, die Öffentlichen Kassen bis auf den letzten Cent zu plündern, um die Profite der Konzerne zu retten.
Entsprechend wissen alle Parteien ganz genau, dass sie lügen, wenn sie derzeit im Kommunalwahlkampf versprechen, nach den Wahlen alles besser zu machen, in den Kitas, beim Nahverkehr... Denn egal welche Partei gewählt wird, ihre Rolle wird darin bestehen, die leeren Kassen zu verwalten, sprich zu sparen und nochmals zu sparen.

Die AfD bildet da keine Ausnahme, im Gegenteil: Sie fordert sogar, dass insbesondere die Bosse der Autokonzerne noch mehr Geld geschenkt bekommen sollen. Ja, die AfD tut gerne so, als wäre sie „anders“. Doch wenn es um den Schutz der Profite und die Ausbeutung der Arbeiter geht, ist sie mit den herrschenden Parteien ganz auf einer Linie.

Um sich trotzdem irgendwie abzugrenzen und von sich reden zu machen, macht sich die AfD stattdessen zum politischen Sprachrohr der Anti-Corona-Demos und ihrer Forderung nach einer „Freiheit“, die nichts anderes bedeutet als die Freiheit, andere Menschen anstecken zu dürfen und alle Maßnahmen zum Gesundheitsschutz zu missachten. Warum nicht gleich die Freiheit fordern, über rote Ampeln fahren zu dürfen – gegen die „Verkehrsregel-Diktatur“?

Diese Propaganda ist nicht nur menschenverachtend und rücksichtslos gegenüber den Pflegekräften und allen Krankenhausbeschäftigten. Sie lenkt auch von den wahren Angriffen auf die Arbeitenden ab, gegen die wir uns in der Krise früher oder später werden verteidigen müssen.

Und eins ist sicher: Die Wahlen werden uns dabei nicht helfen. Weder die jetzigen Kommunalwahlen – noch die Bundestagswahlen, für die die großen Parteien gerade ihre Spitzenkandidaten auswählen. Nicht nur, weil alle größeren Parteien letztlich die Interessen einer Minderheit, der kapitalistischen Klasse vertreten. Sondern auch, weil wir die Hauptverantwortlichen für unsere Lage gar nicht wählen dürfen.
Wir wählen nicht die Vorstände und die Kapitalisten, die bei Continental, Karstadt oder Daimler über Entlassungen und Lohnkürzungen entscheiden – und über die Zukunft zahlloser Subfirmen und kleiner Läden gleich mit. Wir wählen auch nicht die Bosse der Lufthansa oder Commerzbank, obwohl diese mit Milliarden öffentlicher Gelder gerettet wurden. Und Arbeitende und Verbraucher dürfen auch nicht die Vorstände und Entscheidungen von Vonovia oder E.ON kontrollieren, die mit ihren steigenden Preisen ganze Familien in den Ruin treiben.

Die wichtigsten Entscheidungen über unser Leben – ob wir Arbeit haben, wie viel Lohn und Rente wir bekommen, was für eine Wohnung wir bezahlen können, ob wir uns auf der Arbeit die Gesundheit ruinieren – all diese lebenswichtigen Entscheidungen liegen in den Händen von Leuten, deren Namen wir oft nicht einmal kennen und die wie Diktatoren über die Unternehmen herrschen.

Doch ihre Macht hat eine große Schwachstelle: Sie brauchen uns Arbeiter. Wenn wir die Arbeit gemeinschaftlich niederlegen, halten wir ihre Betriebe und damit ihre Profitmaschinen an. Mit dieser Waffe, mit Streiks und Kämpfen in den Betrieben und über die Betriebe hinweg, kann die arbeitende Klasse gemeinsam ihre Interessen verteidigen.

Für diese Kämpfe brauchen die Arbeitenden ihr eigenes Verteidigungsprogramm. Statt Entlassungen, Lohn-Erpressungen und Plünderungen der Öffentlichen Kassen durch die Kapitalisten: Aufteilung der Arbeit unter allen Arbeitenden ohne Lohnkürzungen! Offenlegung aller Konten der Konzerne, Banken und ihrer Besitzer und ihre Kontrolle durch die Arbeitenden!
Und es ist lebenswichtig, dass sich in der Arbeiterklasse wieder Frauen und Männer finden, die eine unabhängige Arbeiterpartei aufbauen und in den Betrieben, den Arbeiterstadtteilen und auch bei Wahlen solche Perspektiven verteidigen und verbreiten.

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