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Nr. 147, Oktober 2021 - Leitartikel

Für eine Koppelung aller Löhne und Renten an die Preise!

Nach dem Wahlergebnis glich die CDU einem aufgescheuchten Hühnerhaufen. In ihrer Selbstherrlichkeit hatte sie monatelang angenommen, dass sie weiter an der Macht sein würde.
SPD, FDP und Grüne ihrerseits – die im Wahlkampf betont hatten, wie gegensätzlich ihre Ansichten wären – versichern sich nun täglich, wie viel sie doch gemeinsam haben. Schnell haben sie sich auf ein Programm geeinigt, so sehr galt für sie alle die Devise: Hauptsache wir kommen an die Regierung. Allerdings ist das, worüber sie sich ernsthaft streiten könnten, noch nicht geklärt. Nämlich die Frage: Wer bekommt welchen Posten?
 
Währenddessen hat die arbeitende Bevölkerung ganz andere Sorgen. 20 Euro mehr zahlen, wenn man seinen Wagen volltankt! Einen noch höheren Betrag, den man jeden Monat für die gestiegenen Strom- und Heizkosten zurücklegen muss! Und nicht nur die Energiepreise gehen in die Höhe. Fahrkarten, Ersatzteile vom Auto, ebenso Gemüse, Nudeln... alles ist spürbar teurer geworden.
Kaum eine Arbeiterfamilie steckt diese Erhöhungen locker weg. Und für diejenigen, die schon vorher kaum wussten, wie sie am Monatsende klarkommen sollen, sind sie eine Katastrophe!
 
Die explodierenden Preise sind keine Naturkatastrophe und zum allergrößten Teil auch nicht die Folge gestiegener Steuern. Sie sind die Folge der Entscheidungen, die die weltweit größten Konzerne getroffen haben. Diese haben nach dem Produktionseinbruch im Frühjahr 2020 ihre Produktion nicht komplett wieder hochgefahren. Überall herrscht dadurch Mangel an Rohstoffen, an Stahl, an Kunststoff, an Zwischenprodukten. Und den Mangel nutzen sie, um extrem höhere Preise zu verlangen.

Hinzu kommt, dass die Reichen an der Börse auf den Mangel spekulieren und so die Preise noch mal verdoppeln und verdreifachen!
Die gesamte Welt leidet unter dem Mangel und den explodierenden Preisen... damit eine Handvoll parasitärer Großkonzerne – die Ölkonzerne, die Reedereien, die mächtigsten spekulierenden Milliardäre an der Börse – sich an dieser neuen Krise gnadenlos bereichern können!
 
Die großen Unternehmen, die ihre Rohstoffe und Teile nun teurer einkaufen, jammern zwar ebenfalls über die Preiserhöhungen und nutzen sie nicht selten als Vorwand für weitere Sparmaßnahmen bei uns Arbeitenden. Doch in Wahrheit verzichten sie nicht auf ihre Gewinne. Sie geben die Preiserhöhungen weiter.
Der Weizen ist 65% teurer? Dann machen sie halt die Nudeln teurer. Stahl und Container-Transport sind teurer? Dann machen sie die Autos teurer. Das Öl ist teurer? Dann werden eben die Preise an den Zapfsäulen erhöht.

Doch was machen wir Arbeitenden, Rentner*innen, Arbeitssuchende? Wir sind am Ende der Kette und zahlen ALLE gestiegenen Preise. Allein, um die Preissteigerungen der letzten Monate aufzufangen, bräuchte jeder von uns 100 Euro mehr im Monat!

Wir haben nur eine Möglichkeit: Wenn wir nicht wollen, dass wir mit jeder Preiserhöhung ärmer werden, brauchen wir eine automatische Koppelung aller Löhne, Renten und Sozialhilfen an die steigenden Preise. Das ist der einzige Weg dafür zu sorgen, dass die Preissteigerungen von den riesigen Profiten der Kapitalisten gezahlt werden und nicht von uns.

SPD, FDP und Grüne (sollten sie tatsächlich eine Regierung bilden) haben erklärt, wenigstens den Mindestlohn irgendwann nächstes Jahr auf 12 Euro erhöhen zu wollen. Doch ansonsten haben sie selbstverständlich den Bossen in ihrer gemeinsamen Erklärung versprochen, dass Renten und Sozialhilfen genauso niedrig bleiben wie bisher. Dass die Stromkonzerne (trotz sinkender EEG-Umlage) die Strompreise weiter erhöhen dürfen. Und dass die Immobilienkonzerne die Mieten weiter in die Höhe treiben dürfen.
 
Die Kapitalisten entscheiden über die Löhne und die Preise. Und selbstverständlich kommt es für die neue Regierung nicht in Frage, jenseits des Mindestlohns dieses Recht auch nur einzuschränken.

Und was den Mindestlohn angeht: Jeder weiß, dass auch 12 Euro nicht in Ansätzen reichen, um auch nur halbwegs über die Runden zu kommen. Millionen Arbeitende werden damit sogar weiter unter der Armutsgrenze leben. Denn die Mehrheit derjenigen, die zu Mindestlohn arbeiten, arbeiten obendrein erzwungenermaßen in Teilzeit. Was wir brauchen, ist also kein Mindest-Stundenlohn, sondern ein Mindest-Monatslohn. Und zwar einer, von dem man leben kann, ohne jeden Cent dreimal umdrehen zu müssen. Und der genau wie alle Löhne an die Preise gekoppelt wird.

Solche Maßnahmen, die wirklich unsere Löhne verteidigen, wird es nur geben, wenn wir Arbeitenden sie selber erkämpfen. Und wenn wir ihre Umsetzung kontrollieren.
Wir dürfen dies keiner Regierung und keiner Kommission mit ihren schön gerechneten Inflationszahlen überlassen. Nur wir Arbeitenden selber können gemeinsam, wenn wir uns organisieren, die Preise in unserem Alltagsleben überwachen und durchsetzen, dass bei jeder Erhöhung der Spritpreise, der Mieten, von Obst und Gemüse sofort auch die Löhne entsprechend steigen.

Und wenn wir damit anfangen, werden wir merken, welche Kraft und Fähigkeiten wir gemeinsam besitzen – und dass die Arbeiterklasse überhaupt die Gesellschaft besser organisieren kann als die, die heute das Sagen haben.

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