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Nr. 96, April 2017 - Leitartikel

Hinter den Politikern – die Diktatur der großen Unternehmer

Die großen Parteien haben in letzter Zeit eigentlich jede Gelegenheit für ihren Wahlkampf genutzt. Doch zu der Ankündigung, dass die 30 größten deutschen Aktien-Konzerne über 31 Milliarden Euro Dividende an ihre Aktionäre verschenken – so viel wie nie zuvor – haben alle Parteien geschwiegen. Dabei sagt diese Nachricht mehr über die Zustände hier aus als ihre ganzen Wahlkampf-Reden. Von diesem Geld hätten fast eine Million Vollzeit-Arbeitsplätze zu Facharbeiterlöhnen geschaffen werden können. Aber nein, die Milliarden fließen in die Taschen der reichsten Aktionäre.

Der BMW-Konzern zahlt allein den beiden größten Aktionären, den Geschwistern Susanne Klatten und Stefan Quandt, eine Milliarde Euro. Die beiden haben die BMW-Aktien von ihrem Vater Herbert Quandt geerbt, der sein Vermögen ebenfalls von seinem Vater geerbt hat. Einzig dank dieser geerbten Aktien können sich die Geschwister in einem Jahr eine Milliarde Euro des Reichtums aneignen, den zehntausende Arbeiter von BMW, Leiharbeiter und Subfirmen der BMW-Werke produziert haben. Das ist Kapitalismus: Wir arbeiten, und die Kapitalisten werden dadurch reicher.

Die Quandt-Familie ist ein Beispiel für die reichen Unternehmerfamilien, die sich hinter den anonymen Aktiengesellschaften verbergen. In der Öffentlichkeit kaum bekannt, haben solche Kapitalisten-Familien in vielen deutschen Konzernen das Sagen. Bei BMW kann die Familie Quandt alles entscheiden. Sie entscheidet, wer Manager wird. Sie kann entscheiden, Arbeitsplätze zu vernichten, an Subfirmen auszulagern oder ein ganzes Werk zu schließen. Sie entscheidet, was mit den Profiten passiert.

Ja, alle reden von Demokratie und dass wir bei den kommenden Wahlen entscheiden, wer uns regiert und wie wir leben. Doch in Wahrheit herrscht eine wirtschaftliche Diktatur. Die wesentlichen Entscheidungen für die Arbeiter, die Wirtschaft und die ganze Gesellschaft werden von einigen hundert Familien in Deutschland getroffen, die die großen Konzerne oder deren Aktien besitzen – und die keiner von uns wählen oder gar kontrollieren kann.

Und eine Entscheidung mit massiven Folgen ist, dass sie alle ihre Konzerne darauf ausrichten, um jeden Preis noch mehr Gewinn zu machen und diesen als Dividende auszuzahlen. Denn in einer weltwirtschaftlichen Lage, die immer unsicherer wird und wo keiner weiß, was morgen ist, wollen die großen Aktionäre in möglichst kurzer Zeit so viel Gewinn wie möglich aus den Firmen herausziehen.
Bei der Telekom bekommen die Aktionäre sogar mehr Dividende – also Gewinnbeteiligung – als überhaupt Gewinn gemacht wurde. Und E.ON hat sogar Verlust gemacht und entlässt 1.800 Arbeiter... und zahlt seinen Aktionären trotzdem eine halbe Milliarde Euro „Gewinnbeteiligung“.

Dieser Drang, aus ihren Betrieben möglichst viel herauszupressen, ist ein wesentlicher Grund dafür, warum die Kapitalisten uns Arbeiter immer mehr ausbeuten. Warum sie ständig Arbeitsplätze vernichten, jeder Minute Arbeitszeit von uns hinterherjagen, warum für sie jede Lohnerhöhung, jede Festeinstellung, selbst jede Erneuerung ihrer Anlagen schon zu viel ist. Das so eingesparte Geld geht an die Aktionäre, die es größtenteils in riskante Spekulationsgeschäfte an der Börse stecken... wodurch sie die nächste Krise beschleunigen. Es ist ein parasitäres, verrücktes und gefährliches System!

Keine der herrschenden Parteien stellt dieses System in Frage. Für sie alle ist selbstverständlich, dass sie den mächtigen Konzernen zu Diensten sind und ihnen helfen, noch mehr Gewinn zu machen – ganz gleich mit welchen bedrohlichen Folgen für die Arbeiter und die Allgemeinheit.
CDU, FDP und AfD sagen es ganz offen. Sie predigen uns „Bescheidenheit“ bei Löhnen, Renten und allen nützlichen öffentlichen Diensten, um „der Wirtschaft nicht zu schaden“.

Die SPD versucht dies etwas zu verschleiern, indem sie die hohen Gehälter der Manager kritisiert, die zum Teil hundert Mal so viel verdienen wie ein Arbeiter. Doch dass die Aktionäre der Konzerne noch tausend (!) Mal mehr aus den Betrieben heraussaugen als ihre Manager, das findet die SPD normal. Und sie findet auch ihre gesellschaftliche Diktatur richtig. Sie findet es normal, dass diese Großaktionäre und ihre Manager mit einer Unterschrift ein Werk schließen können. Normal auch, dass eine Handvoll Kapitalisten entscheiden darf, was wo wieviel produziert wird, einzig unter der Maßgabe des Profits, statt danach, was für die Menschheit notwendig ist. Ja, die SPD lenkt die Aufmerksamkeit auf den eitrigen Pickel der Managergehälter, während das Krebsgeschwür in Ruhe weiter wachsen kann.

Wir Arbeiter hingegen müssen dieses System in Frage stellen. Die 31 Milliarden Euro Dividende führen uns erneut vor Augen: Alle, die uns erzählen wollen, es gäbe kein Geld für mehr Arbeitsplätze, für mehr Lohn, für mehr Geld im Gesundheitswesen oder Schulen – ja die uns gar erzählen wollen, wir würden die Wirtschaft zugrunde richten, wenn wir deutlich höhere Mindestlöhne oder mit 60 ohne Abzüge in Rente gehen wollen – die lügen!

Im Gegenteil, jeder Cent, den wir ihnen hierfür abtrotzen, ist für die gesamte Gesellschaft tausendmal nützlicher, als wenn er auf dem Konto der Großaktionäre landet, die damit spekulieren und die Welt nach und nach zugrunde richten. Um dies auf Dauer zu verhindern, muss die Wirtschaft von der Diktatur einiger hundert Familien befreit und unter die Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung gestellt werden.

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