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Nr. 24, Oktober 2010 - Ihre Gesellschaft

Wirtschaftskrise: Ablenkung und Sündenböcke. Die uralte und gefährliche Masche der Herrschenden

Kein Tag vergeht, ohne dass ein weiterer Politiker seine Kübel voller Verachtung über „die Ausländer“ ausgießt, die sich gefälligst „integrieren“ sollten. Von welchen Ausländern und von welcher Integration reden sie?

Es ist die Gesellschaft, die viele Migranten an den Rand drängt: Die vielen von ihnen Arbeits- oder Ausbildungsplatz verweigert, nur aufgrund ihres Namens. Die ihnen schlechtere Löhne zahlt, unsicherere Verträge gibt. Die sie die dreckigsten, gefährlichsten Jobs machen lässt. Die als Ausweg oft nur die Eröffnung eines kleinen Ladens, Imbiss oder Internetcafés lässt, der sie in die Verschuldung treibt. Das ist die „Integration“, die man ihnen bietet.

Gleichzeitig haben dieselben Politiker, die über mangelnde Integration schimpfen, die Gelder für die „In-te-grationskurse“ gekürzt, weshalb Zehntausende, die deutsch lernen wollen, viele Monate auf einen Platz warten müssen.

Während die Krise zuschlägt

Nein, diese verlogenen Politiker sorgen sich kein Stück um das Zusammenleben in den Stadtteilen oder Betrieben. Ihnen ist es gleichgültig, was ihre hetzerischen Reden hier anrichten, wie viel neuen Hass mit unberechenbaren Folgen sie schüren. Für sie ist das alles nur ein Ablenkungsmanöver, und zwar nicht nur in Deutschland.

Überall in Europa schlägt die Krise mit voller Wucht zu. Und damit die Profite erhalten bleiben, attackieren sie überall die Arbeitenden, verschlechtern Arbeitsbedingungen und Löhne, sparen im öffentlichen Leben, bei Gesundheit und Rente. Und suchen dafür Sündenböcke und Blitzableiter.
Sie kramen dabei die gleichen Vorurteile und Klischees aus, mit der die herrschende Klasse schon vor 140 Jahren versucht hat, die Arbeiter gegeneinander auszuspielen.
Damals kamen viele Polen ins Ruhrgebiet, um zu arbeiten. Hier angekommen, versuchten sie sich ein Stück Heimat in der Fremde zu erhalten. Sie lebten zusammen in ganzen Stadtvierteln mit polnischen Läden, Kneipen und Kirchen, in denen nur polnisch gesprochen wurde. Sie gründeten ihre eigenen Vereine und sogar Gewerkschaften. Und die Politiker hetzten genauso gegen sie. Ihre Kultur sei grundverschieden und sie seien gefährlich, brutal und gewalttätig.

Heute dagegen weiß keiner mehr, was „deutsch“ und was „polnisch“ ist, zwischen dem „Mottek“ von Opa Krause und dem Gartenzwerg von Opa Koslowski. Fast alle „Deutschen“ im Ruhrgebiet haben heute polnische Vorfahren und wissen es oft nicht einmal mehr.

Eine gemeinsame Antwort der Arbeitenden

Wenn die Ruhrpolen irgendwann hier im Ruhrgebiet eine neue Heimat fanden und ihre Zukunft sahen, dann nur deshalb, weil sie sich hier ein Leben aufbauen konnten, weil sie Arbeit fanden. Denn das ist „Inte-gration“, und nichts anderes.
Doch heute bietet der Kapitalismus einem Millionenheer von Arbeitslosen nicht die geringsten Zukunftsaussichten mehr und stößt so Millionen von Menschen aus dem gesellschaftlichen Leben aus. Und es ist ein Hohn, dass seine Verfechter gleichzeitig von ihnen mehr „Integration“ fordern.

Die einzige wirkliche Antwort darauf kann die Arbeiterklasse nur selber geben, so wie sie sie auch damals gab: Indem sie sich über die Unterschiede von Herkunft und Sprache hinweg zusammenschloss und dann in beeindruckenden Streiks, wie sie das Ruhrgebiet schon oft erlebt hat, die Herrschenden und ihre Politiker das Fürchten lehrte.

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