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Nr. 128, März 2020 - Ihre Gesellschaft

Syrien-Türkei - EU: Ein regelrechter Krieg gegen die Flüchtlinge

Es ist ein niederträchtiger Machtkampf auf dem Rücken der Flüchtlinge, den die Türkei und die EU an der türkisch-griechischen Grenze austragen – von beiden Seiten. Auf der einen Seite ist da Präsident Erdogan, der 13.000 Flüchtlinge an die Grenze gelockt hat, um sie als Druckmittel in Verhandlungen über Geld und über Unterstützung im Syrienkrieg zu missbrauchen. Und auf der anderen Seite ist die griechische Regierung, unterstützt von allen EU-Staatschefs, die die Flüchtlingsfamilien bekämpfen, als wären sie feindliche Invasoren!
Die griechische Regierung und Frontex haben ein ganzes Arsenal in Stellung gebracht, mit ultramodernen Drohnen und Kriegsschiffen. Flüchtlingsfamilien werden mit Tränengas und Warnschüssen von der griechischen Grenze weggedrängt. Kriegsschiffe fahren auf offener See so lange um Schlauchboote herum, bis die Flüchtlinge auf diesen Booten entweder Richtung Türkei zurückrudern… oder kentern.

Und wenn es einzelnen Flüchtlingen trotz allem gelingt, bis nach Griechenland zu gelangen, werden sie von der griechischen Polizei geschlagen, ihnen werden Handys und Brieftasche abgenommen - und sie werden in die Türkei zurückgeschickt. Das Völker– und das Asylrecht werden mit Füßen getreten. Und das nennt Innenminister Seehofer „Recht und Ordnung“ an den EU-Außengrenzen wiederherstellen!?

Bislang hat die EU das libysche und das türkische Regime dafür bezahlt, die Flüchtlinge von der EU-Grenze fernzuhalten. Nun aber, wo Erdogan die Abschottung weniger gewissenhaft erledigt, hat die EU dies selber übernommen… und damit endgültig ihre humanitäre Maske abgelegt.

Die AfD jubelt: Endlich wird an den Grenzen die Politik umgesetzt, die sie schon länger fordert. Doch auch fast alle anderen Parteien behaupten, dass dieser Krieg gegen die Flüchtlinge notwendig sei. Dass Chaos über die EU hereinbrechen würde, sollten die Grenzen geöffnet werden. Warum? Bislang hat die Türkei 4 Millionen Flüchtlinge, von denen ein Teil eigentlich nach Europa wollte, in ihrem Land aufgenommen – und das Land ist durch sie keineswegs im Chaos versunken. Warum also sollte das in der EU passieren, die sechs Mal größer und sehr viel reicher ist als die Türkei?

Wenn etwas zu Chaos führt, dann dass sie sie nicht aufnimmt. Nehmen wir nur die griechischen Inseln. Hier herrscht wirklich Chaos, doch warum? Weil alle europäischen Staaten sich weigern, die wenigen Flüchtlinge aufzunehmen, die es in den letzten Jahren doch noch bis nach Griechenland geschafft haben. Und deshalb werden diese fast alle auf den winzigen griechischen Inseln zusammengepfercht, in völlig überfüllten Lagern – was für die Flüchtlinge unerträgliche Zustände schafft, und auch für die Insel-Bewohner.

Eben dies hat es rechtsradikalen Gruppen ermöglicht, sich auf Lesbos auszubreiten. Rechtsradikale Banden errichten Straßensperren, bedrohen, terrorisieren und verprügeln Flüchtlinge und alle, die ihnen helfen: Ärzte, freiwillige Helfer, Journalisten… Ermutigt von dem Vorgehen der griechischen Polizei an der Grenze wollen sie auch auf Lesbos die Flüchtlinge mit Gewalt vertreiben. Und sie üben bereits eine gewisse Macht auf der Insel aus – unterstützt auch von deutschen Rechtsradikalen, die extra nach Lesbos gereist sind.

Erst vor einem Monat, nach dem rechtsradikalen Terroranschlag in Hanau, haben CDU, FDP und SPD vor dem Erstarken des Rechtsradikalismus gewarnt und riefen dazu auf, ihn zu bekämpfen. Doch mit ihrer Politik gegen die Flüchtlinge tragen sie aktiv dazu bei, die AfD und die rechtsradikalen Terror- und Schlägergruppen zu stärken.

Die Hauptverantwortung der großen europäischen Staaten wie auch der USA liegt jedoch darin, dass ihre imperialistische Machtpolitik auf der Welt so viele Kriege auslöst und so viel Chaos anrichtet – und eben dadurch immer mehr Menschen zu Flüchtlingen macht.
Die westlichen Großmächte sind maßgeblich für den Dauer-Krieg im Irak seit 2003 und für den in Syrien seit 2011 verantwortlich. Es war ebenfalls Trump, der letzten Oktober die syrischen Kurden zugunsten Erdogans hat fallen lassen und damit die jüngste militärische Eskalation in Nordsyrien ausgelöst hat… die allein in den vergangenen Wochen weitere hunderttausende Syrer gezwungen hat, unter Bombenhagel ihre zerstörten Orte zu verlassen und an die türkische Grenze zu fliehen.

Ja, es ist die Machtpolitik der imperialistischen Staaten, die Chaos und Gewalt über den Planeten bringt. Von ihr geht die Bedrohung für uns alle aus – nicht von ihren Opfern, den Flüchtlingen.

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