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Nr. 78, September 2015 - Ihre Gesellschaft

Streik: Eine „verbotene Einmischung in die Unternehmerfreiheit“?

Das Landesarbeitsgericht Hessen hat den Lufthansa-Piloten am 8. September verboten zu streiken. Dieses Verbot betrifft nicht nur die Piloten, es richtet sich an alle Arbeitenden.

Denn die Begründung war: Die Piloten dürften nicht dagegen streiken, dass die Lufthansa eine neue Billigfluggesellschaft aufbaut, in der alle Beschäftigten deutlich schlechtere Löhne bekommen sollen. Das wäre, sagt das Gericht, eine unerlaubte Einmischung in die „Unter-nehmerfreiheit“.

Ja, Konzerne haben die Freiheit, Tochterfirmen mit schlechteren Löhnen und Arbeitszeiten zu gründen. Sie haben die Freiheit, mit diesen schlechteren Bedingungen alle anderen Arbeitenden unter Druck zu setzen. Doch die Arbeitenden haben nicht die Freiheit, sich gegen diese Angriffe zu wehren!?

Die Piloten-Gewerkschaft Cockpit kannte dieses unternehmerfreundliche Streikrecht in Deutschland. Deshalb hatte sie offiziell aus einem anderen, gesetzlich erlaubten Grund gestreikt. So haben es bislang alle Gewerkschaften gemacht. Auch bei der Post zum Beispiel durfte Ver.di nicht gegen die Gründung der Tochterfirma streiken, in der Paketboten 20% weniger Lohn bekommen, und musste offiziell für etwas anderes zum Streik aufrufen.
Das war bislang problemlos möglich. Diesmal aber hat das Arbeitsgericht erklärt: „Die Piloten streiken zwar offiziell für den Erhalt ihrer Betriebsrenten. Doch in Wahrheit streiken sie auch gegen den Aufbau der Billigfluggesellschaft. Und deshalb verbieten wir den Streik.“

Damit hat das Gericht den Gewerkschaften die einzige Möglichkeit genommen, legal gegen solche Angriffe auf die Arbeitenden zu streiken. Und prompt hat die Lufthansa angekündigt, Cockpit nun für diesen „illegalen Streik“ auf Schadensersatz zu verklagen.

Dieses Gerichtsurteil ist eine Botschaft an alle Gewerkschaften, insbesondere an Ver.di, die in den letzten Jahren häufiger solche Streiks geführt hat. Sie sollen aus Sorge, „illegal“ zu streiken und Millionen an Schadensersatz zahlen zu müssen, noch seltener, noch zögerlicher als bisher zum Streik aufrufen… damit die Unternehmer in völliger Ruhe die Arbeitsbedingungen von uns allen verschlechtern können.

Das darf nicht passieren! Der Streik ist das einzige wirksame Mittel, das wir Arbeitenden haben, um uns gegen die Unternehmer und Regierung, gegen ihre Angriffe und ihre Willkür zur Wehr zu setzen. Wir dürfen uns daher nicht von unseren Gegnern vorschreiben lassen, ob und wann wir diese Waffe einsetzen.

Wir müssen uns wieder daran gewöhnen, zu streiken, auch wenn Gesetze und Justiz es uns verbieten. Das haben die Arbeiter in Deutschland früher immer getan – und machen es in vielen Ländern der Welt auch heute.

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