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Nr. 11, Juni 2009 - Internationales

Iran: Mit Protesten wird es nicht vorbei sein

Der Wächterrat, das oberste Gremium der iranischen Diktatur, hat erneut bekräftigt, dass es den scheidenden Präsidenten Ahmadinedschad als den absoluten Wahlsieger des ersten Wahlganges und damit als neuen Präsidenten ansieht. Trotz der Massenproteste soll es keine Neuwahlen und auch keine Neuauszählung der Stimmen geben.
Hunderttausende sind in den vergangenen Tagen in Teheran und anderen Städten des Irans in Empörung dagegen auf die Straße gegangen. Sie haben das Gefühl, dass ihnen ihr Wahlzettel gestohlen wurde.

Das iranische Regime antwortete mit brutaler Gewalt auf die Demonstrationen, mit Knüppeln und Scharfschützen: Dutzende haben ihr Leben verloren, zahlreiche wurden schwer verletzt und noch mehr verhaftet.
Nach dem Wenigen zu urteilen, was nach außen dringt, scheinen die Proteste nun vereinzelter und schwächer zu werden. Doch tagelang haben die Demonstranten, darunter viele junge Leute und auch viele Frauen, unter der Sympathie von Millionen Menschen mutig der staatlichen Gewalt standgehalten.

Gegenkandidat Moussavi ?

Der Gegenkandidat Moussavi hatte in vielen Städtern die Hoffnung auf etwas mehr Freiheit in dieser islamistischen Diktatur geweckt, die allen mit Sittenpolizei und massiver Unterdrückung ihren Käfig aus Moralgesetzen aufzwingt. Doch als nun Hunterttausende spontan für ihn auf die Straße gingen, da brandmarkte Moussavi die Demonstranten zunächst sogar als „Unru-hestifter“ und rief immer wieder zur Ruhe auf.
Kein Wunder: Denn Moussavi ist kein Gegner, sondern ein fester Bestandteil des islamistischen Regimes. Sonst wäre er gar nicht Präsidentschaftskandidat. Denn der Wächterrat und der oberste Führer Khamenei, die die eigentliche politische Macht in den Händen halten, haben nur 4 von 475 (!) Kandidaten überhaupt zugelassen.
Moussavi ist sogar von 1981 bis 1989 schon Premierminister gewesen, als besonderer Liebling des damaligen religiösen Führers Ayatollah Khomeini. Unter Moussavi wurden zehntausende Oppositionelle verhaftet und getötet, wurden Widerstand und Streiks blutig unterdrückt. Die Veränderungen, die sich die iranische Bevölkerung von ihm erhoffen könnte, sind also mehr als begrenzt.
Seine zögerliche Haltung gegenüber den Demonstrationen und sein Programm, das sich ausschließlich an die Mittelschichten und nicht in Ansätzen an die ärmeren Schichten richtete, haben jedenfalls den Protesten nicht gerade geholfen, sich zu entwickeln.

Hoffnung für die Zukunft

Es ist jedoch längst nicht gesagt, dass die Hunderttausenden, die spontan tagelang auf den Straßen waren und die Millionen, die mit ihnen sympathisierten, nun die nächsten Jahre wieder ruhig dieses diktatorische, menschen– und frauenverachtende Regime der Mullahs ertragen werden.

Die Zukunft wird es zeigen. Und auch, ob sich der Widerstand weiter auf die mittleren Schichten der Städte beschränken wird, oder ob er auch die große Masse der ärmeren Schichten, der Arbeiter und kleinen Bauern ergreifen wird, die besonders unter der dramatischen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage leiden. Eine solche Bewegung hätte die Kraft und Möglichkeit, weit über einen Präsidentenwechsel hinaus den gesamten diktatorischen Staat in Frage zu stellen.

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