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Rumänien: Hilflos im Angesicht der Epidemie

Der folgende Artikel ist die Übersetzung eines Artikels unserer französischen Genossen von Lutte Ouvrière, erschienen in ihrer gleichnamigen Zeitung am 8. April 2020.

Während Rumänien sich darauf einstellt, Mitte April den Höhepunkt der Epidemie zu erleben, ist die Regierung mit einer Welle von Kündigungen im Gesundheitswesen konfrontiert. Es ist Ausdruck einer Stimmung nach dem Motto „Rette sich, wer kann“ – angesichts der Tatsache, dass mehrere hundert der 4.000 Infizierten Pflegekräfte sind. Einige rumänische Ärzte und Pflegekräfte verurteilten diese Haltung, aber sie spiegelt vor allem den Zustand im Gesundheitssystem dieses Landes wieder. Während es in Italien 4,1 Ärzte pro 1000 Einwohner gibt, sind es in Rumänien nur 2,2. In allen Ländern mangelt es an Masken, Tests, Kitteln und vielen anderen Ausrüstungsgegenständen. Jedoch ist der Mangel in Rumänien, dem armen Verwandten Europas, noch viel größer.

Wie in allen europäischen Ländern wurde seit Jahren im Gesundheitswesen gespart und private Einrichtungen auf Kosten der öffentlichen Gesundheitsversorgung gefördert. Letztere jedoch ist es, die heute im Kampf gegen die Epidemie an vorderster Front steht. Der Mangel an Ärzten ist aber auch die Folge davon, dass viele von ihnen in die reicheren Länder der Europäischen Union ausgewandert sind. In den ersten zehn Jahren nach 2007, als Rumänien der Europäischen Union beigetreten ist, haben 25.000 von ihnen Rumänien verlassen, um anderswo bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu finden. Westeuropa gleicht seinen Mangel an Ärzten und Pflegekräften zum Teil dadurch aus, dass sie sie aus den ärmeren Ländern Osteuropas anlocken.

Hinzu kommt, dass seit Mitte März massenhaft Arbeiterinnen und Arbeiter nach Rumänien zurückkehren, die im Ausland – insbesondere in Italien und Deutschland – gearbeitet haben. Sie sind in Eile zurückgekehrt, um nicht vor geschlossenen Grenzen zu stehen – oder schlichtweg, weil sie entlassen wurden. Die Regierung hat behauptet, sie würde all diejenigen, die zurückkehren, testen und unter Quarantäne stellen. Aber sie ist in Wahrheit gar nicht dazu in der Lage. Mehrere Millionen Arbeiter könnten zurückkehren, denn ein Fünftel der rumänischen Bevölkerung arbeitet im Ausland. Die Behörden reagieren, indem sie allen Infizierten mit einer 15-jährigen Haftstrafe drohen, sollten diese gegen die Gesundheits- und Quarantänebestimmungen verstoßen.

Die ärmsten Länder als Quelle billiger Arbeitskräfte zu nutzen und sie ihrer Ärzte und ihrer Gesundheitsversorgung zu berauben – ist das das europäische Ideal?